Union und SPD wollen möglichst rasch Modelle für einen Investivlohn und eine stärkere Mitarbeiterbeteiligung an Unternehmen ausloten. Ein Treffen von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel mit SPD-Chef Kurt Beck noch in diesem Jahr sei vorstellbar, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Montag in Berlin. Einen konkreten Termin gebe es aber nicht.
Wirtschaft, Ökonomen sowie Gewerkschaften zeigten sich erneut skeptisch. Beim Investivlohn wird ein Teil des Entgelts nicht an den Arbeitnehmer ausgezahlt, sondern in eine Beteiligung am Unternehmen umgewandelt. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall sieht zudem keine Möglichkeit, über den Investivlohn den Spielraum für Lohnerhöhungen zu erweitern. Anders als vom SPD-Chef angedeutet, könne so der Tarifabschluss nicht ein Prozent höher ausfallen. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) will Investivlöhne mit einer zusätzlichen Altersvorsorge verknüpfen.
In Union und SPD werden sehr unterschiedliche Ansätze und Modelle für eine stärkere Arbeitnehmer-Beteiligung an Gewinn oder Kapital ihres Unternehmens debattiert. Hintergrund der schon seit Jahrzehnten geführten Debatte ist die Tatsache, dass Unternehmens- und Arbeitnehmereinkommen zunehmend auseinanderklaffen. Der CDU- Parteitag hatte sich für eine Beteiligungs-Förderung ausgesprochen.
Eine SPD-Arbeitsgruppe soll Beck zufolge "differenzierte Lösungen" für Kleinbetriebe und Großkonzerne erarbeiten. Wichtig seien Festlegungsfristen für das Kapital und eine Insolvenzsicherung, sagte er nach einer SPD-Präsidiumssitzung. Alles andere sollten die Tarifparteien regeln. Natürlich könne dies auch mit den Vorschlägen Münteferings zur Altersvorsorge verbunden werden. Man wolle aber "keine zusätzlichen Subventionstatbestände schaffen".
Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser kann sich "nicht vorstellen, dass dies konkretes Thema der nächsten Tarifrunde wird". Er sieht auch keine Möglichkeit, den Spielraum für Lohnerhöhungen über Mitarbeiterbeteiligung zu erweitern. "Beck irrt. Sein Vorschlag ist gut gemeint, aber trifft die Wirklichkeit nicht", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Der SPD-Chef verwies auf eine Rechnung: Würde für 20 Millionen Beschäftigte ein einprozentiger Investivlohn vereinbart, ergäbe dies bei einer durchschnittlichen Lohnsumme von 50 000 Euro einen Betrag von einer Milliarde pro Jahr.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) unterstützt die Überlegungen. Es stelle sich aber eine "Reihe von Fragen", etwa für den Fall von Jobwechseln oder beruflicher Verschlechterung. Der "Wirtschaftsweise" Wolfgang Wiegard geht davon aus, dass sich das Thema "wahrscheinlich tot laufen" werde. "Der Investivlohn scheiterte bisher immer an der Umsetzung", sagte er dem "Handelsblatt". Dies liege vor allem daran, dass 85 Prozent der Unternehmen Personengesellschaften seien. Dort gebe es "keinen einfachen Weg der Mitarbeiterbeteiligung".
Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, plädierte für freiwillige Lösungen. Jedoch sollte dies nicht gesetzlich gefördert werden. "Man sollte Altersvorsorge nicht mit unternehmerischen Risiken verknüpfen", sagte er der dpa. IG-Metall-Chef Jürgen Peters nannte den Investivlohn einen "alten Ladenhüter". Arbeitnehmer müssten ein doppeltes Risiko tragen. "Neben dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes käme jetzt auch ein Kapitalrisiko hinzu." Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine bezeichnete Becks Überlegungen einen Beitrag zur Lohndrückerei. Ein Anteil für Investivlohn würde am Ende von Lohnerhöhungen abgezogen./sl/DP/ck
AXC0122 2006-12-04/16:07