
Die venezolanischen Devisenreserven haben sich seit Jahresbeginn dramatisch verringert. Nachdem sie zu Jahresbeginn noch bei 36,6 Milliarden USD gelegen hatten, betrugen sie Anfang Mai nur noch 24,7 Milliarden USD. Dies entspricht einem Minus von 32,5 Prozent in nur vier Monaten. Der massive Rückgang ist umso bedenklicher, als dass Venezuela hohe laufende Erträge aus seinen Ölexporten zu verzeichnen hat. Trotzdem hat es die Regierung des sozialistischen Staatschefs Hugo Chavez geschafft, die heimischen Währungsreserven deutlich schneller aufzubrauchen, als die sprudelnden Ölquellen sie wieder auffüllen können.
GEPLANTER IWF-AUSTRITT BELASTET BOLIVAR
Einer der Gründe für die Schwindsucht der venezolanischen Reserven ist der Plan der Regierung, einen 6,0 Milliarden USD schweren Fonds aufzulegen, der diverse Entwicklungsprojekte im Land fördern soll. Neben den fortwährenden Transfers in diesen Entwicklungsfonds belasten umfassende Dollar-Verkäufe der Zentralbank an die staatliche Ölgesellschaft Petroleos de Venezuela, die 7,5 Milliarden USD zur Absicherung von ihr ausgegebener Anleihen benötigt, die Bilanz. Auch zukünftig ist deshalb mit einem weiteren Absinken der Devisenreserven des Landes zu rechnen.
Die hohe Geschwindigkeit, mit der sich Venezuelas Dollarbestände in Luft aufgelöst haben, hat ausländische Investoren nervös gemacht. So kam es in der vergangenen Woche zu einem Ausverkauf venezolanischer Staatsanleihen, die auf neue Jahrestiefs zurückfielen. Auch am Aktienmarkt ging es deutlich bergab. Die ohnehin gereizte Stimmung wurde zusehends angespannt, nachdem Präsident Chavez neue Verstaatlichungspläne für mehrere einheimische Banken sowie den größten Stahlproduzenten des Landes bekannt gegeben hatte. Den lokalen Banken droht Chavez mit Nationalisierung, wenn sie nicht die gewünschten niedrig verzinsten Kredite für die einheimische Industrie bereitstellen, während die Stahlfirma Sidor gezwungen werden soll, vorrangig bestimmte Konstruktionselemente zum Bau einfacher Häuser zu produzieren.
INFLATION GALOPPIERT
Böse Zungen verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass Chavez' Nationalisierungspläne davon ablenken sollen, dass es der Regierung nicht gelingt, die galoppierende Inflation einzudämmen. Auch der Mangel an bestimmten Gebrauchsgütern und Lebensmitteln sorgt für zunehmenden Unmut in der Bevölkerung. Venezuelas Inflationsrate wird dabei von einem massiven Anstieg der öffentlichen Ausgaben angeheizt, der mit den Sozialprogrammen der Regierung zusammenhängt. In den letzten zwei Jahren hat die Chavez-Administration bereits 15 Milliarden USD in solche Projekte gepumpt. Umgekehrt gelingt es ihr trotz staatlich festgesetzter Preise und Kapitalkontrollen nicht, die Teuerungsspirale zu stoppen. Im vergangenen Jahr verzeichnete Venezuela mit 17,0% die höchste Inflationsrate der lateinamerikanischen Staaten. Zuletzt hat sich der Preisauftrieb weiter beschleunigt, weshalb 2007 mit einer jährlichen Inflationsrate von über 20,0% gerechnet werden muss.
Als Konsequenz aus den Nationalisierungsbestrebungen gab Merrill Lynch bekannt, venezolanische Staatsanleihen von "Übergewichten" auf "Neutral" herabzustufen. Das US-Investmenthaus verwies zur Begründung auch auf die Pläne von Chavez' Regierung, den Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie die Weltbank zu verlassen. Man wolle in diesen von der USA dominierten Gremien nicht länger vertreten sein, hatte Chavez jüngst betont, der stattdessen die Gründung einer neuen Kreditbank in Angriff nehmen will, die von den lateinamerikanischen Nationen geleitet werden soll. Selbst wenn man ihm unterstellt, dass er sich der Folgen eines IWF-Austritts nicht vollständig bewusst ist, zeigt doch eine ähnliche Äußerung von Finanzminister Rodrigo Cabezas, dass es dem Land damit Ernst ist.
VORPROGRAMMIERTE VERLUSTE
Der venezolanische Bolivar (VEB) reagierte auf die Turbulenzen mit heftigen Kursverlusten. Gegenüber dem Euro hat er seit Januar bereits über 6,0 Prozent an Wert verloren und macht derzeit keine Anstalten, diesen Trend umzukehren. Das Währungspaar EUR/VEB kletterte von Kursen knapp oberhalb der 2.750er-Marke auf ein Jahreshoch von 2.935,58 und schickt sich somit an, auch die magische 3.000er-Region in Angriff zu nehmen. Noch extremer stellt sich die Lage des Bolivar gegenüber dem US-Dollar dar. Zwar ist der offizielle Wechselkurs von USD/VEB bei 2.150,00 festgezurrt und kann sich deshalb nicht bewegen, am Schwarzmarkt wurden aber im Zuge der jüngsten Geschehnisse bereits Kurse zwischen 3.400 und 4.000 für das Währungspaar gezahlt. Angesichts einer schwächelnden Valuta, rapide schwindender Devisenreserven und dem unsicheren Ausgang der Nationalisierungspläne ist Anlegern derzeit zu raten, sich von venezolanischen Aktien und Anleihen fern zu halten. Wird der anvisierte Austritt Venezuelas aus dem IWF Realität, ist der nächste Kurssturz bereits vorprogrammiert.
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