DJ Heibel-Ticker / Wochenausblick: Inflation gegen Deflation -- die Fed wird den Leitzins senken
BERLIN (Heibel-Ticker) -- Am Mittwoch wird der amerikanische Notenbank gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Fed über eine Zinssenkung entscheiden. Ich erwarte eine Senkung um 0,25 % von 4,75 % auf 4,5 %. Mit der Zinssenkung im September, der ersten seit über drei Jahren, gab die Fed das Signal, dass die Aufmerksamkeit von einer Inflationsbekämpfung hin zu einer Marktberuhigung umgeschwenkt ist. Um 14:15 Uhr EST (amerikanische Ostküstenzeit), also um 20:15 Uhr unserer Zeit wird Bernanke die Zinsentscheidung bekannt geben. Da der Großteil der Marktteilnehmer genau wie ich eine Zinssenkung erwarte, dürfte die Wirkung verhalten ausfallen. Eine eventuelle Rallye wird insbesondere im Finanzsektor stattfinden, am Freitag dieser Woche dürfte der Effekt jedoch verpufft sein und die Kurse des problembehafteten Sektors sollten wieder fallen. Noch bis am Tag vor der ersten Leitzinssenkung haben sich Notenbankmitglieder für eine Leitzinsanhebung zwecks Inflationsbekämpfung stark gemacht. Der Ölpreis steht über 90 US-Dollar je Fass Crude Oil, der Goldpreis notiert knapp unter 800 US-Dollar je Feinunze, es gibt Haussen im Bereich der Industriemetalle bis hin zu den Agrarstoffen. Hohe Rohstoffkosten werden sich, mit wenigen Jahren Verzögerung, in steigende Preise für die Endprodukte auswirken. Am schnellsten geht diese Entwicklung beim Benzinpreis vonstatten, und jeder von Ihnen hat die hohen Spritkosten bemerkt. Die Haussen an den Rohstoffmärkten künden also die bevorstehende Inflation bereits an. Doch die Hausse ist nicht durch die amerikanische Leitzinsentwicklung beeinflussbar, vielmehr steckt eine wirkliche Nachfrage seitens China, Indiens und diverser anderer Schwellenländer dahinter. Da wäre es vermessen von Bernanke zu glauben, eine Zinssenkung könnte die Rohstoffmärkte mäßigen. Im amerikanischen Finanzsektor hingegen erkenne ich eine Deflation: Die Werte der CDOs (Collateralized Debt Obligations -- gebündelte Immobilienkredite) gehen in den Keller. Merrill Lynch hat am vergangenen Mittwoch 6,9 Mrd. US-Dollar an Werten aus diesem Bereich abgeschrieben. Es verbleiben weitere 15 Mrd. US-Dollar CDOs in der Bilanz von Merrill. Warum gerade 6,9 Mrd., warum nicht gleich 10 oder 12 Mrd. US-Dollar? Das Problem der CDOs ist, dass niemand genau weiß, was drin steckt. CDOs sind festverzinsliche Zertifikate, deren Zinszahlungen aus den Zinsen und Tilgungen Tausender Immobilienkredite finanziert werden. Diese CDOs galten lange Zeit als grundsolide, da ja Immobilien zu Sicherung des Kredits vorhanden waren. Doch seit die Immobilienpreise in den USA fallen und seit die Hypothekenzinsen steigen, wird es für die Häuslebauer immer schwerer, Zinsen und Tilgung aufzubringen: Die meisten haben variable Zinsen vereinbart, die Zinsbelastung ist also in den vergangenen zwei Jahren angestiegen. Nun weiß niemand so genau, welche Hypothekenkredite in welche CDOs gepackt wurden. Sind die enthaltenen Immobilienkredite zu 70 % des Wertes der finanzierten Immobilien ausbezahlt worden? Oder gar zu 80 %? Oder gar zu 100 %, wie 2005 und 2006 durchaus üblich? Wurde dann vielleicht auch noch die Tilgung für die ersten zwei Jahre ausgesetzt, so dass die Belastung für den finanzschwachen Häuslebauer erst mit zwei Jahren Verzögerung untragbar wird? Die CDOs waren heißbegehrt und wurden ohne viele Fragen von institutionellen Anlegern gekauft, um ein bisschen mehr Rendite als bei Staatsanleihen zu bekommen. Heute zeigt sich jedoch, dass ein Blick ins Detail durchaus lohnenswert gewesen wäre, doch dazu sind die Verkäufer der CDOs, Merrill Lynch, Bear Stearns, Lehman Brothers, Citigroup, usw, nicht in der Lage, denn sie wissen es nicht. Und kein Anleger ist derzeit bereit, ein Risiko im Immobilienbereich einzugehen, das er nicht berechnen kann -- egal zu welchem Preis. Anleger kaufen derzeit lieber wieder Staatsanleihen, deren Rendite dadurch drastisch gesunken ist, und meiden die Black Box der CDOs. Wenn nun Merrill Lynch 6,9 Mrd. US-Dollar abschreibt, dann ist das nichts weiter als ein Test. Merrill kann noch immer das tatsächliche Risiko der CDOs nicht berechnen, denn es ist unmöglich herauszufinden, welche Kredite genau in den jeweiligen CDOs gebündelt wurden. Entsprechende Informationen habe ich im Bericht von Merrill vergeblich gesucht. Daher gehe ich davon aus, dass die Abschreibungen im Finanzsektor weiter anhalten werden. Nicht nur CDOs, sondern auch MBSs (Mortgage Backed Securities) und diverse andere Zertifikate werden in Sippenhaft genommen und ebenfalls von Anlegern gemieden. Die Preise für solche Finanzprodukte sinken, die Werte der im Bestand der Finanzhäuser befindlichen Zertifikate mindern sich. Das ist Deflation, wenn auch lediglich im Finanzsektor, und diese Deflation muss die Fed durch Zinssenkungen bekämpfen. 1929 hatte gab es schon einmal eine ähnliche Situation. Damals hat die Fed die Zinsen angehoben und es folgte eine Weltwirtschaftskrise. Die Fed hat gelernt, Bernanke wird diesmal den Zins senken und schlimmeres im Finanzsektor vermeiden. Die Kehrseite der Medaille: Die Rohstoffpreise werden nun noch schneller ansteigen. Ich wünsche eine schöne Woche, Take Share Stephan Heibel Mehr dazu und darüber hinaus Ideen, wie Sie die nächsten Monate richtig positioniert sind, in der aktuellen Ausgabe des Heibel-Tickers. Internetseite: http://www.heibel-ticker.de/djn Dies ist eine Mitteilung vom Börsenbrief Heibel-Ticker. Für den Inhalt ist ausschließlich das Redaktionsteam des Heibel-Tickers verantwortlich.
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October 29, 2007 07:58 ET (11:58 GMT)
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