New York (BoerseGo.de) – Ein schwarzer Monat an den US-Börsen sorgt für herbe Kursverluste zum Wochenauftakt, nachdem sich die Zahl der großen US-Investmentbanken über das Wochenende halbiert hat. Der S&P 500-Index notiert mit einem Verlust von 4,7 Prozent den größten Tagesverlust seit den Terroranschlägen am 11.September 2001. Seit Jahresbeginn hat der Index 18,8 Prozent eingebüßt, seit dem Oktober-Hoch 2007 steht bereits ein Minus von 24,3 Prozent zu Buche.
Trotz verzweifelter Rettungsversuche und nachdem eine Reihe möglicher Käufer abgesprungen ist, hat die traditionsreiche US-Investmentbank Lehman Brothers Gläubigerschutz nach Chapter 11 beantragt. Während des Chapter-11-Verfahrens kann ein Unternehmen seine Geschäfte unter temporärem Gerichtsschutz vor den Gläubigern weiter führen, sich reorganisieren und sanieren. Anders als bei der Rettung der US-Investmentbank Bear Stearns hat die US-Regierung im Fall von Lehman Brothers staatliche Hilfe versagt und potentielle Investoren waren zur Übernahme milliardenschwerer Risiken nicht bereit. Die Investmentbank gesteht im Rahmen ihrer Zahlungsunfähigkeit Verbindlichkeiten von insgesamt 613 Milliarden Dollar ein. Dem stehen Vermögenswerte des Instituts von 639 Milliarden Dollar gegenüber. Aus der Insolvenzanmeldung geht hervor, dass mehr als 100.000 Gläubiger Ansprüche auf Forderungen haben, wobei zu den größten Gläubigern die Citigroup und die Bank of New York Mellon zählen. Die Aktie von Lehman Brothers verliert über 94 Prozent auf 0,21 Dollar, Analyst Prashant A. Bhatia von der Citigroup reduziert sein Rating von Hold auf Sell und erklärt die Aktie als wertlos.
Weitere Hiobsbotschaften kamen von der drittgrößten US-Investmentbank Merrill Lynch. Das ehrwürdige US-Finanzinstitut meldet den Notverkauf an die Bank of America für 50 Milliarden Dollar oder 29 Dollar pro Aktie. Die Transaktion der mit Milliardenverlusten angeschlagenen Investmentbank soll im ersten Quartal 2009 abgeschlossen werden. Laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge soll die US-Notenbank Fed den Notverkauf vorangetrieben haben, nachdem einige Fed-Mitglieder einen Konkurs von Merill Lynch befürchteten. Die Analysten von Oppenheimer betrachten den Notverkauf von Merrill Lynch als einen langfristig positiven Deal für die Bank of America. Durch die Einverleibung von Merrill Lynch profitiert laut CEO Ken Lewis von Bank of America das Unternehmen gleich in dreifacher Hinsicht. Bank of America gewinnt eines der größten Börsenhandelsgeschäfte für Privatkunden, das angesehene Investmentbanking-Geschäft und einige ausgezeichnete Investment-Banker hinzu. Die Aktie von Bank of America beendet den Handel mit einem Verlust von 21,31 Prozent. Einige Händler befürchten, dass sich das US-Finanzinstitut mit der Übernahme von Merill Lynch übernommen haben könnte.
Der Versicherungsriese American International Group (AIG) benötigt dringend frisches Geld. Der Konzern hat die amerikanische Notenbank zu Hilfe gerufen und um eine Finanzspritze in Höhe von 40 Milliarden Dollar ersucht, nachdem Ratingagenturen mit der Herabstufung des Bonitätsratings drohen. Dadurch entsteht die Gefahr, dass Geschäftspartner ihr Kapital abziehen. In diesem Fall könne der Versicherer nur noch 48 bis 72 Stunden überleben. Jedoch bleibt einem Bericht des US-Börsensenders CNBC dem US-Versicherungsgigant American International Group (AIG) die ersehnte Hilfe des Staates in Form eines Überbrückungskredites in Höhe von 40 Milliarden Dollar versagt. Stellvertretend dafür bemüht sich der Staat um die Einberufung eines Bankenkonsortiums, das unter der Führung von JP Morgan und Goldman Sachs Notkredite in Hohe von 75 Milliarden Dollar für den US-versicherungsriesen beschaffen soll. Die Aktie bricht um 60,79 Prozent auf 4,76 Dollar ein, der Finanzsektor verliert insgesamt 10,4 Prozent.
Aufgrund der jüngsten Entwicklungen an den Finanzmärkten sehen Händler an der Terminbörse in Chicago eine Chance von 84 Prozent, dass die Notenbank im Rahmen der kommenden Sitzung des Offenmarktausschusses am 16. September eine Senkung des US-Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte auf 1,75 Prozent vornehmen wird. Vor einer Woche wurde die Chance für eine Zinssenkung im September mit Null beziffert.
Auch die Nachrichten von der Konjunkturfront geben wenig Anlass für Freudensprünge. Gemäß der Federal Reserve ist in den USA die Industrieproduktion im August um 1,1 Prozent gesunken, Volkswirte sind von einem Rückgang von 0,3 Prozent ausgegangen. Der größte Rückgang der Industrieproduktion in den letzten drei Jahren ist vor allem auf eine zurückgehende Produktion von Kraftfahrzeugen zurückzuführen. Der Bericht zur Industrieproduktion beinhaltet alle Güter, die in den USA hergestellt wurden, egal ob diese Waren für aus- oder inländische Käufer oder für die Lagerung bestimmt sind. Die Kapazitätsauslastung ist von 79,9 Prozent im Vormonat Juli auf 78,7 Prozent gefallen und damit auf das niedrigste Niveau seit fast vier Jahren. Bei der Kapazitätsauslastung untersuchen die Ökonomen der Fed, was aktuell in US-Firmen hergestellt wird und vergleichen das Ergebnis mit dem Output, der unter maximaler Kapazitätsauslastung potenziell erzeugt werden könnte.
Der Preis für ein Barrel Rohöl der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) sinkt an der New Yorker Terminbörse Nymex um 5,43 Dollar auf einen Schlusstand von 95,75 Dollar. Händler begründen den Preisrückgang des schwarzen Goldes auf ein 7-Monatstief mit dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers und der damit verbundenen Furcht der Anleger, dass sich die Kreditkrise weiter zuspitzt und die Nachfrage nach Rohstoffen negativ beeinflusst. Zusätzlich haben die Ölförderanlagen und Raffinerien in Texas den Hurrikan „Ike“ größtenteils unbeschadet überstanden. Der Preis für die Feinunze Gold steigt um 22,50 Dollar und notiert zum Handelsschluss bei 787,00 Dollar. Nach dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers und der Übernahme von Merrill Lynch durch die US-Bank Bank of America ist das Edelmetall als sicherer Hafen gefragt.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte beendet den Handel mit einem Minus von 4,42 Prozent auf 10917 Punkte. Der breiter gefasste S&P-500 verliert 4,69 Prozent auf 1192 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq gibt um 3,60 Prozent auf 2179 Punkte nach. Sieger im Dow ist die Aktie der Coca-Cola Company mit einem Plus von 0,67 Prozent auf 54,75 Dollar. Bei den Techs überzeugt Applied Materials mit einem Plus von 3,48 Prozent auf 16,34 Dollar. An der New York Stock Exchange wechselten 1,88 Milliarden Aktien den Besitzer. 36 Werte legten zu, 2921 gaben nach. An der Nasdaq gab es bei Umsätzen von 2,72 Milliarden Aktien 390 Gewinner und 2549 Verlierer.
Electronic Arts: Übernahme geplatzt
Der Videospiele-Hersteller Electronic Arts zieht sein Übernahmeangebot in Höhe von zwei Milliarden Dollar für den kleineren Konkurrenten Take-Two Interactive Software zurück. Damit nimmt das monatelang andauernde Tauziehen um den kleineren Rivalen ein Ende. Das Investmenthaus Janco erhöht sein Rating für Take-Two Interactive Software von Accumulate auf Buy und korrigiert sein Kursziel von 31 Dollar auf 35 Dollar nach oben. Das Analystenhaus empfiehlt seinen Anlegern, die heutige Kursschwäche zum Kauf zu nutzen. Die Aktie von Electronic Arts verliert 3,76 Prozent auf 43,30 Dollar, das Papier von Take-Two Interactive Software verbilligt sich um 24,30 Prozent auf 16,57 Dollar.
Greenspan: Mehr Banken-Pleiten
Ex-Notenbank-Chef Alan Greenspan geht davon aus, dass in Zukunft noch mehr größere US-Finanzinstitute der Finanz-und Kreditkrise zum Opfer fallen werden. Weiter spricht sich der Ex-Notenbankchef dafür aus, nicht um jeden Preis angeschlagene US-Investmentbanken mit staatlicher Hilfe zu retten. Greenspan rechnet aktuell mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutscht.
Websense bestätigt Prognose
Der Anbieter von Web-Sicherheits- und Web-Filter-Produktivitätssoftware, Websense, bestätigt für das Geschäftsjahr 2008 seine Gewinnprognose von 1,30 bis 1,35 Dollar pro Aktie. Der Umsatz wird vom Management für das Geschäftsjahr 2008 auf 340 bis 345 Millionen Dollar beziffert. Die aktuellen Konsensschätzungen der Analysten gehen für das Geschäftsjahr 2008 von einem Gewinn von 1,34 Dollar pro Aktie und einem Umsatz von 344,45 Millionen Dollar aus. Die Analysten von Banc of America haben die Aktie gerade mit einem Buy Rating in ihre Berichterstattung aufgenommen. Die Aktie verliert 1,49 Prozent auf 21,75 Dollar.
Präsident Bush zur Finanzkrise
US-Präsident George W. Bush zeigt sich zuversichtlich, dass Wall Street die Turbulenzen der letzen 24 Stunden mit dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers und der Übernahme von Merrill Lynch verkraften wird. Bush ruft Investoren zur Ruhe und Besonnenheit auf und bekräftigt, dass die US-Regierung ihr Augenmerk auf die Stabilität der US-Finanzmärkte richtet. Obwohl die jüngsten Entwicklungen an den US-Märkten schmerzvoll sind, sieht der US-Präsident die Finanzmärkte langfristig auf dem richtigen Weg.
Panera Bread mit Kurssprung
Die Aktie der Bäckerei-Café-Kette Panera Bread Company beendet den Handel mit einem Plus von 3,05 Prozent auf 49,00 Dollar, nachdem das Unternehmen seine Gewinnprognose für das dritte Quartal bestätigt. Das Management bekräftigt aktuell seine Gewinnprognose für das dritte Quartal von 0,42 bis 0,44 Dollar pro Aktie, was einem Gewinnwachstum von 14 bis 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die aktuellen Konsensschätzungen der Analysten gehen für das dritte Quartal von einem Gewinn von 0,43 Dollar pro Aktie aus. Analyst David Tarantino vom Investmenthaus Robert W. Baird & Co. stuft die Aktie aktuell mit Outperform Rating und Kursziel 62 Dollar ein. Laut dem Finanzexperten zeigt der Ausblick des Unternehmens, dass sich der Wachstumskurs der Bäckerei-Café-Kette trotz der schwachen Konjunkturlage fortsetzt. Zusätzlich profitiert das Unternehmen von der jüngsten Korrektur der Weizenpreise.