Den Verbrauchern haben die Richter am
Bundesgerichtshof mit ihrem Urteil den Rücken gestärkt und den
Wettbewerb befördert - im Grundsatz jedenfalls. Die Energieriesen
E.ON
Doch was der BGH am Dienstag entschied, ist heute eigentlich nur noch ein Streit um des Kaisers Bart. Fünf Jahre sind vergangen, seitdem das Bundeskartellamt dem größten deutschen Strom- und Gaskonzern eine Minderheitsbeteiligung an den Stadtwerke Eschwege untersagte. Der Fall ging an die Gerichte, weil E.ON damals eine grundsätzliche Entscheidung über das Thema herbeiführen wollte.
STRATEGIEN GEWANDELT
Inzwischen haben sich aber nicht nur die Strommärkte gewandelt, sondern auch die Strategien der Unternehmen. Die Bundesnetzagentur achtet mittlerweile peinlichst darauf, dass die Stromriesen bei der Netzdurchleitung die Konkurrenz nicht benachteiligt. An der Durchleitung von "fremdem" Strom, früher ein lukratives Geschäft, verdienen die Betreiber immer weniger Geld.
Völlig überraschend kündigte E.ON Anfang dieses Jahres an, seine Stromnetze abgeben zu wollen. Hintergrund: E.ON will einem langwierigen Streit mit der EU-Wettbewerbsbehörde aus dem Wege gehen und eine Kartellstrafe vermeiden. Das Brüsseler Einigungspaket, über das abschließend in den nächsten Wochen entschieden wird, sieht zudem die Abgabe von Kraftwerkskapazitäten vor. Sowohl für die E.ON-Stromnetze wie auch für die Kraftwerke sollen Interessenten bereits Schlange stehen.
ABSATZGEBIETE SICHERN
Stadtwerke beziehungsweise der Ausbau von Beteiligungen an selbigen spielen in der Akquisitionsstrategie von E.ON heute vermutlich keine Rolle mehr, auch wenn die Karlsruher Richter dies in ihrer Urteilsbegründung anders sehen: E.ON und RWE als Marktführer verfolgten die Strategie, an zahlreichen Stadtwerken und sonstigen Stromversorgern Minderheitsbeteiligungen zu erwerben, um ihre Absatzgebiete zu sichern.
"Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann E.ON zum letzten Mal eine Beteiligung an einem Stadtwerk erworben hat", sagt ein Manager des Unternehmens. Christoph Kahlen von der E.ON-Tochter Thüga, in der der Düsseldorfer Konzern seine 120 Beteiligungen an Stadtwerken gebündelt haben, weiß es genauer: Bis Ende 2002 weitete die Thüga die Beteiligungen noch Stück für Stück aus. Dann schritt das Bundeskartellamt ein. "Ulm wurde uns nicht mehr genehmigt", erinnert sich Kahlen.
INTERESSE AN THÜGA
E.ON-Chef Wulf Bernotat setzt inzwischen ohnehin schon auf eine andere Karte: den Ausbau der Erzeugung und der weiteren Internationalisierung des Geschäfts. In den Investitionsplänen hat E.ON hierfür in den kommenden Jahren Beträge in zweistelliger Milliardenhöhe vorgesehen, unter anderem für moderne Kohle- und Gaskraftwerke und für Windparks.
Seit einigen Monaten wird in der Branche auch darüber spekuliert, dass E.ON sich komplett von Thüga trennen wolle. Zu diesen Gerüchten äußert sich der Energieriese offiziell nicht. Eine Kooperation von Regionalversorgern aus MVV Energie (Mainz), Rheinenergie (Köln) sowie Mainova (Frankfurt), N-ergie (Nürnberg) und die Stadtwerke München und Hannover haben Interesse an der Übernahme der Thüga angemeldet.
Kartellamtspräsident Bernhard Heizer hatte vor einem Jahr bereits den Verkauf der Stadtwerke-Beteiligungen der Stromkonzerne ins Spiel gebracht. Die Beteiligungen gehörten ohnehin nicht zum Kerngeschäft der Versorger. Die Wettbewerbshüter wollen auf diesem Wege mehr Wettbewerb in die Branche bringen./ls/DP/edh
--- Von Peter Lessmann, dpa ---
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