19. März 2009. Die aufgehellte Stimmung an den Aktienmärkten passt zum beginnenden Frühling. Auch wenn von einer Trendwende in der Finanzkrise noch niemand spricht, sind die Zeichen auf grün - zumindest noch für eine bestimmte Zeit. Und positive Unternehmenszahlen schützen vor zu frühen Depressionen. Die Erholung an den Aktienmärkten weltweit hat sich diese Woche fortgesetzt. In den abgelaufenen fünf Tagen kletterte der DJ Industrial um 9 Prozent in der Spitze, der DJ Euro Stoxx 50 um mehr als 7, der britische Leitindex erreichte gestern ein Plus von 6 Prozent und der japanische Nikkei war gestern mehr als 9 Prozent im Plus. "Bei der gestrigen Sitzung der US-amerikanischen Notenbank sind die Zinsen unverändert geblieben, aber das hatten die Marktteilnehmer auch erwartet, berichtet Jan Vrbsky von der Baader Bank. "Interessant war, was die Fed angesichts der Leitzinsen, die quasi bei Null stehen, weiter unternehmen will. Mehr als eine Billion US-Dollar will die Fed in den Markt pumpen. In den kommenden sechs Monaten will die Fed längerlaufende US-amerikanische Staatsanleihen in einem Volumen bis zu 300 Milliarden US-Dollar kaufen. Zusätzlich sollen hypothekenbesicherte Wertpapiere für bis zu 750 Milliarden US-Dollar gekauft werden und ebenso ist ein Ankauf von kurzfristigen Unternehmensanleihen, so genannte Commercial Paper, geplant. "Die Maßnahmen haben gestern dem US-amerikanischen Aktienmarkt einen Schub gegeben, ebenso haben die Anleihen zugelegt. Der US-Dollar hat gegenüber dem Euro massiv verloren, sagt Walter Vorhauser von Close Brothers Seydler Bank. "Die Kurskapriolen, mit denen wir gewöhnlich am dreifachen Hexensabbat, dem Verfallstermin der Future- und Optionsgeschäfte, zu rechnen haben, sind bei der derzeitigen Marktlage etwas vorgezogen. Der Verfallstag ist der letzte Freitag im März. Vorhauser rechnet damit, dass die Erholung sich in den kommenden Wochen noch fortsetzt, aber wie lange bzw. wie weit das noch ginge, könne man nicht sagen. Die Marktteilnehmer bedrückt jedoch - trotz der aufgehellten Stimmung - wie viel Geld noch in den Markt gepumpt werde, sagt Vorhauser.
Finanztitel ziehen an
Die Gewinner der Stunde sind die Banken und Unternehmen aus der Finanzbranche. "Bei den stark überverkauften Werten kam es zu Kursgewinnen, berichtet Vrbsky. So hätte die Citigroup (WKN 871904) ihren Kurswert mehr als verdoppelt. Auch in Europa gewinnen die Finanztitel. "Ein plus von 20 Prozent in der Spitze in dieser Woche bei der Royal Bank of Scotland (WKN 865142) ist keine Ausnahme.
Schweizer Versicherer stemmt sich gegen den Wind
An der Schweizer Versicherung Baloise (WKN 853020) geht die Finanzkrise auch nicht spurlos vorüber. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Gewinn bei dem Unternehmen halbiert. Abschreibungen von fast einer Milliarde Schweizer Franken und die Rückführung des Eigenkapital von 4,9 auf 3,9 Milliarden Schweizer Franken belasten das Unternehmen. "Mit einem erweiterten Geschäftsmodell und einer verbesserten Kosteneffizienz will man an die ursprüngliche Unternehmensstärke wieder anknüpfen, erzählt Vorhauser. Das Aktienrückkaufprogramm läuft weiter und die Dividende wird unverändert mit 4,5 Schweizer Franken an die Aktionäre ausgeschüttet. Der Kurs der Aktie legte in Frankfurt um fast 8 Prozent aus 44,30 Euro zu.
Britischer Versicherer überrascht
Überrascht hat der britische Versicherer Prudential (WKN 852069) mit positiven Zahlen für das Geschäftsjahr 2009. "Der Kurs der Aktie schoss um 12 Prozent nach oben und hat auch andere Unternehmen aus der Branche wie Axa oder Lloyds mitgezogen, erzählt Vrbsky. Der Gewinn bei Prudential sei 2008 um 17 Prozent angestiegen und sei das Resultat der konservativen Geschäftspolitik.
Cisco bedrängt Konkurrenz
Cisco Systems (WKN 878841) berichtet diese Woche einen Einbruch bei Umsatz und Gewinn und will mit dem Erschließen neuer Märkte gegensteuern. "Cisco will die Konkurrenz mit einem Rundum-Angebot aus einer Hand angehen, sagt Vorhauser. Über das Unified Computing System sollen Betreiber von Rechenzentren eine komprimierten Zusammenfassung der Netzwerk-Infrastruktur mit Speicher-Zugängen, Servern und Virtualisierungs-Software erhalten. "Das wird Kosten für Kunden einsparen und Kapazitäten können besser genutzt werden, meint Vorhauser. Seit vergangener Woche hat der Aktienkurs des Netzwerkausstatters von 10,90 auf 12,37 Euro zugelegt.
Gelungener Einkauf
IBM (WKN 851399) möchte Sun Microsystems (WKN A0M7N9) übernehmen. "Die Spekulationen haben den Kurs von Sun um 80 Prozent in die Höhe getrieben. IBM ist dagegen um ein Prozent gefallen, erzählt Vrbsky. Angeblich will IBM 600 Milliarden US-Dollar in bar für Sun bezahlen. Das ist doppelt so hoch wie die letzte Börsennotierung. "Analysten sehen einen Zusammenschluss der beiden Unternehmen positiv, deshalb ist IBM hier nicht weiter unter Druck gekommen, mutmaßt Vrbsky. Und: Gegenüber dem Konkurrenten Hewlett & Packard dürfte IBM dann im Vorteil sein.
Oracle gewinnt
Als dritter im Bunde der US-amerikanischen Computer- und Software-Riesen legt Oracle (WKN 871460) Zahlen fürs dritte Quartal vor. Obwohl der Umsatz leicht gesunken ist, ist das Ergebnis besser als erwartet ausgefallen und Oracle wird zum ersten Mal eine Dividende von 5 US-Cent pro Aktie zahlen. Nachbörslich legte Oracle um knapp 7 Prozent zu.
Von virtueller Community zu realen Gewinnen
Das chinesische Internet-Unternehmen Tencent Holding (WKN A0M9BT) meldet für das Geschäftsjahr 2008 einen Umsatz- und Gewinnsprung. Das Quartalsergebnis fürs vierte Quartal 2008 stieg von 75,29 auf 127,1 Millionen US-Dollar an und lag mit diesem Ergebnis weit über den Erwartungen der Analysten. Der größte Beitrag zum Gewinn kam über die Online-Social-Network-Privatunternehmen Second Life und Gaia Online, die Tencent im vergangenen Jahr zukaufte. Ein Wermutstropfen ist das rückläufige Werbegeschäft, denn Tencent kann sich in dieser Geschäftssparte nicht der Finanzkrise entziehen. Aufs Jahr gesehen verbesserte Tencent das Nettoergebnis um 80 Prozent und den Umsatz um 87 Prozent. "Die Aktie hat bereits im Vorfeld der Zahlen angezogen und in der Spitze über 15 Prozent zugelegt und notiert heute in Frankfurt bei 5 Euro", berichtet Vorhauser.
China Mobile von Konkurrenz bedroht
China Mobile (WKN 909622) lag im vierten Quartal 2008 etwas unter den Erwartungen der Marktteilnehmer und Analysten. "Konkurrenten wie China Telecom und China Unicom sowie der wirtschaftliche Rückgang in China lasten auf den Gewinnmargen, sagt Vrbsky. Die Aktie hat etwa zwei Prozent eingebüßt und notiert heute zur Mittagszeit bei 6,35 Euro.
Rio Tinto sitzt noch länger auf dem Schuldenberg
Der Verkauf von Unternehmensanteilen von Rio Tinto (WKN 855018) an die chinesische Chinalco steht auf dem Prüfstand. "Das galt bisher als beschlossene Sache und sollte Rio Tinto von einem Teil der Schulden, die sich durch den Zukauf von Alcan angehäuft haben, befreien, berichtet Vrbsky. Doch nun wird die australische Regierung den Verkauf noch länger prüfen. Zwar wären die 38,7 Milliarden US-Dollar für den verschuldeten Minenkonzern eine willkommene Finanzspritze, doch wolle man in Australien eine strengere Regulierung für ausländische Investitionen, kommentiert der Skontroführer für Auslandsaktien.
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© 19. März 2009/Dorothee Liebing
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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