Jochen Steffens
Die britische Zeitung „The Independent Business“ berichtet unter Berufung auf arabische und chinesische Bankenkreise, dass die arabischen Staaten Gespräche mit China, Russland, Japan und Frankreich geführt haben, um das Ende des Dollars als Ölwährung voranzutreiben. An Stelle des Dollars solle ein Währungskorb treten. In diesen sollen der japanische Yen, der chinesische Yuan, der Euro, der Rubel und Gold aufgenommen werden. Auch die geplante neue Gemeinschaftswährung für Saudi Arabien, Abu Dhabi, Kuwait und Katar könnte dazugehören. Angeblich gäbe es in diesem Zusammenhang bereits auch geheime Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs von Russland, China, Japan und Brasilien. Ziel sei es, den Dollar als Ölwährung in den nächsten neun Jahren abzulösen.
Dementis und Japan
Dann soll noch ein chinesischer Bankier gesagt haben, dass dieser Schritt die internationalen Geldströme derart verändern würde, dass gerade die USA und Großbritannien entsprechend aggressiv reagieren würden, um einen solchen Schritt zu verhindern. Deswegen würden, sofern dieses Vorhaben bekannt werden sollte, natürlich auch vehemente Dementis folgen. Zudem soll es bereits eine Allianz zwischen Japan und den Golfstaaten geben.
Hinzugefügt wurde eine Aussage von Sun Bigan, chinesischer Sonderbeauftragter, der gegenüber dem Fachblatt "Asia and Africa Review" gesagt hat: "Bilaterale Streitereien und Konflikte sind unvermeidbar [...]Wir können in unserer Wachsamkeit gegenüber feindlichen Akten im Mittleren Osten aufgrund von Energie- und Sicherheitsinteressen nicht nachlassen.“ The Independent Business interpretierte diese Aussage als Hinweis auf einen Handelskrieg zwischen China und den USA in Nahost und brachte diese Aussagen in die Nähe der oben genannten Informationen.
Sehr schönes Gerücht. Das hat auch wieder all das, was ich an solchen Gerüchten mag.
Keine Frage, ein wahrer Kern
Doch zunächst Folgendes: Es ist bekannt, dass zum Beispiel der Iran gerne das Dollarmonopol im Ölhandel beendet sehen würde. Man kann sich auch vorstellen, dass einige andere arabische Länder Gedankenspiele anstellen, in denen es um konkrete Maßnahmen dazu geht. Es ist auch davon auszugehen, das China alles tun wird, um eine größere Kontrolle über den Rohstoffhandel zu erhalten. Und es ist bekannt, dass es hier auch bereits viele, viele Gespräche mit allen Rohstoffländern gegeben hat. Das alles ist nichts Neues.
Weniger sinnvoll ist aber zum Beispiel der Währungskorb. Wer sollte verbindlich bestimmen, mit welcher Gewichtungen die jeweiligen Währungen beteiligt sind, zumal Währungen auch wiederum Wertschwankungen unterliegen? Ein Währungskorb als Währungsreserve eines Landes macht durchaus Sinn, aber als Handelsgrundlage für einen Rohstoff? Zudem käme es doch zu erheblich höheren Transaktionskosten. Nein, das klingt abwegig. Wenn schon eine Änderung angestrebt wird, müsste man auf eine einzelne Ersatzwährung wechseln.
Dabei wird dann immer wieder gerne vergessen, dass die Verbraucher in den USA mit 885 Millionen Tonnen pro Jahr nach wie vor der mit Abstand größte Öl- Verbraucher sind, gefolgt von China mit 376 Millionen Tonnen. Der Ölverbrauch der USA macht dabei fast ein Viertel des Weltverbrauchs aus. Auch aus diesem Grund würde es also keinen Sinn machen, hier erst in andere Währungen und dann wieder in den Dollar zu tauschen. Da handelt man lieber direkt in Dollar und spart sich die entstehenden Kosten.
Nicht ganz wird aus der Meldung klar, ob der Dollar überhaupt in dem Währungskorb vorhanden sein soll. Angesichts des oben genannten Anteil des Dollars am Öl-Verbrauchs würde ein Fehlen des Dollars das Gerücht natürlich sofort als Unsinn enttarnen.
Warum ausgerechnet Frankreich?
Witzig ist auch, dass an diesem Deal Frankreich beteiligt sein soll. Ohne Frankreich und Japan wäre diese Nachricht natürlich bei weitem nicht so brisant. Stellen wir uns also vor, wir wollten so ein Gerücht kreieren. Um aus dieser Nachricht einen Knaller zu machen, müsste natürlich auch ein europäischer Staat mit im Boot sitzen. Großbritannien könnte das nicht sein, die würden den USA nicht in den Rücken fallen. Spanien, Italien? Zu uninteressant und wenig glaubhaft in diesem Zusammenhang. Deutschland? Die deutsche Politik ist nicht durchtrieben genug, um bei so einer Posse mitzuspielen, auch das würde keiner glauben. Aber La Grande Nation - Frankreich - wenn die mitspielen, das wäre schon heftig, und bei denen könnte man sich das auch theoretisch vorstellen. Also wählen wir Frankreich aus - perfekt. Und Japan? Japan passt auch immer! Also wenn ich das Gerücht erdacht hätte, ich hätte es genauso gemacht.
Dementis erstunken und erlogen
Noch schöner finde ich aber, dass bereits die Dementis mit in die Verschwörungstheorie einbezogen werden. „Klar werden Dementis kommen, aber das müssen die dementieren, weil ansonsten die USA und Großbritannien sauer werden.“ Tja, nur so hat dann keiner mehr eine Chance, das Gerücht wirklich aus der Welt zu schaffen. Jedes Dementi wird so zum Teil der Verschwörung, selbst wenn es wahr sein sollte. Auch das ist immer ein beliebter Trick bei Verschwörungstheorien. Die Dementis kamen natürlich prompt von allen Seiten – sind sie aber richtig?
Eigentlich ein altes Gerücht in neuem Gewand
Aber auch das ist noch nicht alles. Seit vielen Jahren tauchen in schöner Regelmäßigkeit immer wieder Gerüchte auf, die mit Öl und Dollar zu tun haben. Letzte Beispiele waren die vielen Gerüchte, der Iran werde Öl in Euro handeln und die arabischen Staaten dazu bringen, Öl ebenfalls nur noch in Euro zu verkaufen. Es gab eine große Aufregung an den Märkten um diese Gerüchte. Die USA blieben jedoch gelassen. Zwar hat der Iran wohl tatsächlich Aktionen in diese Richtung gestartet, eine Auswirkung auf den Dollar hatte das jedoch nicht. Die anderen arabischen Staaten haben sich noch unter der Bush-Regierung einmütig zum Dollar bekannt.
Auch alle anderen Rohstoffe werden hauptsächlich in Dollar gehandelt
Wo ist eigentlich das Problem, könnte man fragen, wenn Öl nicht mehr in Dollar gehandelt würde? Es gibt die Theorie, dass der Dollar über den Gegenwert in Öl gedeckt ist. Sollte Öl also nicht mehr in Dollar gehandelt werden, würde diese Deckung wegfallen und der Dollar würde in den freien Fall übergehen, so die Behauptung.
Zum Teil stimmt das. Länder, die Öl kaufen wollen, legen sich natürlich Dollarreserven zu. Das erhöht die Nachfrage nach dieser Währung. Gerne wird bei diesen Diskussionen um das Öl allerdings vergessen, dass eben nicht nur Öl, sondern auch alle anderen Rohstoffe in Dollar gehandelt werden.
Welche Auswirkungen also eine Abkehr vom Dollar beim Rohstoff Öl haben würde, ist sehr schwer vorherzusagen. Es könnte aber sein, dass diese etwas weniger dramatisch ausfallen würden, als in manchen dieser Verschwörungstheorien vorhergesagt.
Vermischung von Fakten und Gerüchten
Ich denke, in diesem Gerücht wurden mehrere Elemente vermischt. Der Dollar verliert zunehmend das Vertrauen der anderen Staaten, gerade auch durch die aktuelle Finanzkrise und die enorme Ausweitung der Geldmenge. Es gibt genug Überlegungen und auch schon Ansätze, die Währungsreserven breiter zu diversifizieren. Das macht auch Sinn, und hier ist, wie bereits gesagt, ein breit diversifizierter Währungskorb vernünftig. Meines Erachtens gehört das Thema Währungskorb also hier hin und nicht zum Öl.
Die anderen Teile sind bereits sehr alte Gerüchte, die einfach wieder aufgenommen und in ein neues Gewand gepackt wurden. Aber ein dritter Aspekt dieses Gerüchts ist höchst relevant.
China auf Einkaufstour
China kauft sich weltweit massiv im Rohstoffsektor ein und betreibt dabei eine sehr aggressive Politik. Dabei ist dem Land vollkommen egal, wie die politische Situation in den jeweiligen Rohstoffländern aussieht: China interessiert es nicht, ob dort die Menschenrechte geachtet oder missachtet werden. Ihm ist ebenfalls egal, wer das Geld schlussendlich in die Hände kriegt. Kurz: Ohne Moral- und Wertvorstellungen sichert sich China ein Rohstoffvorkommen nach dem anderen, schließt langfristige Verträge, übernimmt Rohstoffkonzerne, etc.
Es wird offensichtlich, dass Chinas Einfluss auf die Rohstoffvorkommen der Erde von Jahr zu Jahr erheblich zunimmt. Diese Politik ist äußerst gefährlich für die westlichen Industrieländer, die selber über keine Rohstoffvorkommen verfügen. Noch werden Rohstoffe hauptsächlich über die USA gehandelt. Das könnte sich jedoch bald ändern. Und hieraus könnte sich dann tatsächlich eine weitere Schwächung des Dollars als Leitwährung ergeben.
Was den Industrieländern als Reaktion auf diese sehr aggressive Politik Chinas bisher fehlt, ist eine intensivere und zielgerichtete Zusammenarbeit. Ich fürchte, dass vielen Regierungen noch nicht klar ist, welche Bedrohungen da auf uns zukommen. So wird hier meines Erachtens zurzeit vieles verschlafen. Es würde mich demnach nicht wundern, wenn es in 20 Jahren heißt: Stell Dir vor, es gibt noch Rohstoffe, aber die gehören China.
Und natürlich ist die Gefahr sehr groß, dass es irgendwann zu erheblichen geopolitischen Spannungen im Zusammenhang mit dem Kampf um Rohstoffe kommen wird. Da besteht kein Zweifel.
Es handelt sich also um ein Gerücht, dass eine durchaus relevante Thematik aufgreift und sicherlich deswegen so eine enorme Verbreitung gefunden hat. Die Details des Gerüchts sind jedoch unglaubhaft. Einige Fakten aber werden die Märkte in 10 bis 20 Jahren sicherlich deutlich mehr beschäftigen als jetzt.
Viele Grüße
Jochen Steffens