
Karstadt vor der Rettung: Mit der Zustimmung aller Gläubiger ist die letzte große Hürde für ein Fortbestehen des Kaufhaus-Konzerns genommen worden. Sämtliche Gläubiger des Vermieterkonsortiums Highstreet stimmten den von Investor Nicolas Berggruen geforderten Mietsenkungen am Donnerstag grundsätzlich zu. Das bestätigte ein Highstreet-Sprecher auf dpa-Anfrage. Allerdings lagen bis zum späten Donnerstagabend zunächst noch nicht alle benötigten Unterschriften vor. An diesem Freitag soll der Essener Insolvenzrichter den Karstadt-Insolvenzplan billigen.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) äußerte sich zuversichtlich. "Noch sind die Verträge alle nicht so unterschrieben und bestätigt, dass man aufatmen kann. Aber inzwischen zeichnet sich doch ab, dass wir berechtigte Hoffnung haben können, dass es nicht zu einer Liquidation von Karstadt kommt", sagte die Ministerin am späten Donnerstagabend nach einem Treffen mit Berggruen und Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg im Karstadt-Haus am Berliner Kurfürstendamm. Berggruen hatte sich ebenfalls optimistisch gezeigt. "Alle haben "ja" gesagt, aber die Unterschriften müssen zusammenkommen. Und wenn das alles da ist, dann sind wir fertig." Laut Highstreet müssen insgesamt etwa 60 bis 80 Unterschriften geleistet werden.
Die Zustimmung der Gläubiger ist die Bedingung dafür, dass die Mietverträge geschlossen werden können. Nur dann kann der Essener Insolvenzrichter den Insolvenzplan am Freitag billigen. Dann kann die Übernahme durch Berggruen erfolgen. Der Gerichtstermin war wegen der noch ausstehenden Einigung bereits mehrfach verschoben worden.
Insolvenzverwalter Görg sagte am Donnerstagabend, nach seiner Kenntnis gebe es "eine ganz weitgehende Einigung zwischen dem Vermieterkonsortium und Herrn Berggruen". Die letzten Zustimmungen aus dem Kreis der Kreditgeber für Highstreet lägen ihm aber vorerst nicht schriftlich vor. Er freue sich, dass strittige wirtschaftliche Fragen inzwischen gelöst seien. "Aber richtig freuen kann ich mich erst, wenn die Tinte trocken ist, und das ist sie eben noch nicht."
In London waren die Highstreet-Gläubiger am Donnerstag zu einem Treffen zusammengekommen. Zwei Gruppen mussten ihre Zustimmung erklären: Wie erwartet stimmten die Anleihe-Gläubiger rasch den niedrigeren Mieten zu, während die sogenannten Mezzanine-Gläubiger die Entscheidung zunächst verzögerten und später zustimmten.
Karstadt-Beschäftigte in Berlin demonstrierten schon Zuversicht für eine Rettung des Konzerns - bei einer spontanen Aktion der Gewerkschaft Verdi vor der Repräsentanz der Deutschen Bank stießen Mitarbeiterinnen am Donnerstagnachmittag mit Sekt an.
In der Essener Karstadt-Hauptverwaltung begann am Donnerstagabend die Sitzung des Gläubigerausschusses. Die Karstadt-Gläubiger sollten über die aktuelle Lage informiert werden, berichtete ein Sprecher des Insolvenzverwalters.
Wenn eine Einigung perfekt ist, erhielte Karstadt mit Investor
Berggruen eine zweite Chance. Für das Schwesterunternehmen, den
Versandhändler Quelle, blieb vor fast einem Jahr nach gescheiterten
Rettungsversuchen nur die Schließung. Beide Unternehmen hatten zum
Arcandor-Konzern
Die Einigung mit Highstreet auf niedrigere Mieten war eine
Voraussetzung für den Einstieg Berggruens. Das Immobilienkonsortium,
hinter dem unter anderem die US-Investmentbank Goldman Sachs
Berggruen will alle 120 Filialen erhalten. Investieren will er 70 Millionen Euro eigenes Kapital, sobald der Kaufvertrag in Kraft tritt. Die Marke Karstadt soll verjüngt und modischer werden. Es wird damit gerechnet, dass der 48 Jahre alte Finanzier in Kürze Details zu seinem Konzept vorlegt.
Eine Chance auf eine Übernahme von Karstadt hatte sich bis zuletzt auch noch der Mailänder Kaufhaus-Unternehmer Maurizio Borletti ausgerechnet. Insolvenzverwalter Görg lehnte die Offerte jedoch ab, da Borletti seine Absicht zu spät kundgetan habe. Borletti ist auch an Highstreet beteiligt./uta/sam/DP/tw
ISIN US38141G1040 DE0005140008 DE0006275001
AXC0213 2010-09-02/23:46