"Stuttgart 21"-Schlichter Heiner Geißler hält ein Bündnis zwischen CDU und Grünen nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg auch nach dem Streit um das Bahn-Projekt für "eine reelle Option". "Die Rangeleien von heute sind doch alle Schall und Rauch in dem Moment, in dem es ernst wird", sagte der Schlichter in einem "Spiegel"-Gespräch. "Auch bei den S-21-Gegnern gibt es welche, die möglicherweise zu der Erkenntnis kommen: Sei's drum, wir machen das jetzt."
Auch dafür habe die Schlichtung ein wenig den Boden bereitet, so Geißler. Der ehemalige CDU-Generalsekretär fordert in dem Interview ein Umdenken der Politiker. Durch die Einbeziehung von Bürgerinitiativen bei Großprojekten werde "nichts verhindert, aber die Prozesse werden offener, friedlicher, demokratischer und damit konsensfähig". Geißler bezeichnet Mediationsverfahren nach dem Stuttgarter Modell als eine "Ergänzung der parlamentarischen Demokratie". Laut Geißler hätten die Parlamente die Aufgabe, Gesetze zu formulieren, "aber nicht über Bahnhöfe, Stromtrassen oder Kraftwerke zu entscheiden. Das ist geradezu eine Verfälschung der repräsentativen Demokratie". Dass die Proteste um Stuttgart 21 nach der Schlichtung fortgesetzt werden, hält Geißler für legitim. "Keine Schlichtung und kein Parlament können einfach das Demonstrationsrecht abschaffen." Das Attac-Mitglied sieht das Demonstrationsrecht in Deutschland in Gefahr: "Das Demonstrationsrecht muss endlich befreit werden von der heimtückischen Unterstellung, Demonstranten seien Terroristen. Diese Stimmung wird ja in Deutschland – auch von den Sicherheitsbehörden – immer wieder verbreitet." Um der Diktatur einer engagierten Minderheit zu entgehen, empfiehlt der Schlichter, dass sich alle Beteiligten "dem Dialog stellen müssen". Geißler sagte dem "Spiegel": "Die Leute, die sich bislang nur auf Demonstrationen und auf Plakaten geäußert haben, werden so gezwungen, sich in einem argumentativem Verfahren in einer öffentlichen Arena zu beweisen. Und dann ist da ganz schnell für Beleidigungen die Luft raus."