
Opposition und Wirtschaft haben die schwarz-gelben Beschlüsse für ein einfacheres Steuerrecht und zur Entlastung von Unternehmen als Alibi-Reform kritisiert. Die Grünen warfen der Koalition vor, die Bürger zu täuschen. Rechne man die Ersparnis bei der Steuer gegen die höheren Krankenkassenbeiträge zum 1. Januar auf, hätten Arbeitnehmer sogar weniger Netto vom Brutto in der Tasche. Wirtschaftsverbänden gehen die Pläne nicht weit genug. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Entscheidungen von Union und FDP: "Wir werden ein Paket schnüren, das nicht die Steuerbehörden entlastet, sondern bei denen ankommt, die Steuern bezahlen."
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte dagegen am Freitag in Berlin zu den Ergebnissen des Koalitionsgipfels: "Für dieses Paket hat Schwarz-Gelb keine Geschenke, sondern nur die Rute verdient." Die Erhöhung der Werbungskostenpauschale reiche gerade einmal für eine Extra-Tasse Kaffee im Monat. "Das zusätzliche Geld wird mehr als aufgefressen durch die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge zum Jahresanfang." Schwarz-Gelb breche offensiv Wahlversprechen.
Auch die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, schimpfte: "Diese Regierung glaubt, die Menschen für dumm verkaufen zu können." Die Arbeitnehmer könnten im Durchschnitt mit drei Euro mehr im Jahr rechnen, die Wirtschaft aber werde um Milliarden entlastet. "Offensichtlich muss die FDP in Umfragen erst unter ein Prozent fallen, damit sie versteht, dass diese Art zu teilen von den Menschen nicht länger akzeptiert wird", sagte Lötzsch.
Die Industrie lobte zwar die Absicht, die Unternehmen von lästigem Papierkram zu befreien. Dies nütze vor allem dem Mittelstand. Die Möglichkeiten für eine wirklich durchgreifende Vereinfachung seien "noch nicht erschlossen" worden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Werner Schnappauf, der "Berliner Zeitung" (Freitag).
Die Koalitionsspitzen hatten in der Nacht zum Freitag beschlossen, das Steuerrecht in 41 Punkten zu vereinfachen. Die Arbeitnehmer sollen um insgesamt 590 Millionen Euro pro Jahr entlastet werden. Firmen sollen durch die elektronische Übermittlung von Steuerdaten rund vier Milliarden Euro einsparen.
Die Werbungskostenpauschale soll von 920 Euro auf 1000 Euro angehoben werden. Das bringt Arbeitnehmern mit geringen Werbungskosten mehr Geld. Alle anderen müssen weniger Einzelbelege beim Finanzamt einreichen, um ihre Werbungskosten - etwa Aufwendungen für Arbeitsmittel - geltend zu machen. Nach Berechnungen der Lohnsteuerhilfevereine bringt das Millionen Arbeitnehmern weder eine Steuerermäßigung noch eine Vereinfachung. Bestenfalls profitiere ein Bürger mit drei Euro im Monat.
Nach Angaben von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Koalition schnell ein Gesetz in den Bundestag einbringen. Ein Teil der Maßnahmen soll schon rückwirkend zum 1. Januar 2011 gelten. Der Rest der 41-Punkte-Liste wird aber wohl erst ab 2012 umgesetzt.
Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger wies in der ARD die Kritik zurück, dass die Bürger netto kaum mehr im Geldbeutel haben werden. "Das Ziel an dieser Stelle war ja nicht eine Entlastung, sondern eine Entbürokratisierung." Künftig könne die Steuererklärung schneller ausgefüllt werden. "Das ist, glaube ich, auch ein Wert, wenn man deutlich weniger Stunden da dran sitzt und damit mehr Zeit für Freizeit und Familie hat."
Der CSU-Spitzenpolitiker Hans-Peter Friedrich lehnte Forderungen aus der Koalition nach weiteren Steuervereinfachungen derzeit ab. "Später, wenn es neue Spielräume gibt, kann man auch andere Sachen machen." Auch Schäuble hatte einen Nachschlag abgelehnt./tb/DP/jsl
AXC0125 2010-12-10/14:08