Berlin (ots) - Wer wirklich etwas bedeutet in diesem Land, der schafft es zu Weihnachten ins deutsche Wohnzimmer. Der Bundespräsident zum Beispiel. Oder Loriot. Die Hoppenstedts ("Ein Klavier, ein Klavier") heitern zuverlässig auch die tristeste Familienrunde auf, so wie die Nudel ("Hildegard ..."), das Quietsche-Entchen ("Herr Müller-Lüdenscheid ...") und Meredith Hesketh-Fortescue (aus Nether Addlethorpe). Je mehr Comedians die Bühnen bevölkerten, desto einzigartiger wurde Vicco von Bülow. Mochte Mario Barth das Olympiastadion füllen - nicht einer seiner Gags wird es bis in unser Gedächtnis schaffen, dorthin, wo Loriot bei fast allen von uns siedelt; Bausteine unserer Kultur, auf die wir wegen ihrer sentimentalen Leichtigkeit, wegen der großzügigen Gelassenheit, wegen ihrer heiteren Verzweiflung am Dasein gar nicht stolz genug sein können. Ob Heinz Erhardt, Otto Waalkes oder Bulli Herbig - nur Vicco von Bülow hat Generationen von Deutschen geprägt, wie es sonst allenfalls der Fußball schafft. Er hat uns Gemeinsamkeit geschenkt: kollektive Momente befreiten Lachens. Loriot war kein einfacher Spaßmacher, sondern ein umfassend gebildeter Herr, der zeichnen konnte, reimen, schauspielern, musizieren, dirigieren, der einzigartige Reden hielt und sich dezent kleidete. Loriot zeigte wahre Größe, denn seine Späße gingen auf eigene Kosten. Ob er Menschen mit Hund veräppelte, Adelige oder Schrankwand-Bürger - immer war er sein Protagonist, sein eigenes Opfer. Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow war unser nationales Bollwerk, wenn die Briten mal wieder kamen, um uns Humorlosigkeit vorzuwerfen. Der Spross einer preußischen Offiziersfamilie erreichte alle Generationen, alle Schichten, er spielte so hingebungsvoll mit unser aller Spießigkeit, dass wir Deutsche uns zeitweilig gar nicht mehr so schlimm fanden, wie alle sagten. Klar, dass der Mann aus Brandenburg an der Havel stets Ost wie West im Blick hatte und auf beiden Seiten der Mauer funktionierte. Loriots Bedeutung allerdings reicht weit über die Humorebene hinaus. In jedem seiner Gags wurde spürbar, dass dieser Mann mehr vom Leben wissen musste. Er hat 1941 Notabitur gemacht, war Oberleutnant im Russland-Feldzug, schlug sich als Holzfäller durch, fand erst spät zur Kunst. Seine Erfahrungen geronnen weder zu Besserwisserei noch Grummelei wie oft bei älteren Herrschaften, sondern äußerten sich in bescheidener Zurückhaltung. Vicco von Bülow setzte auch bei seinen Auftritten in der Öffentlichkeit Maßstäbe. Er gehörte nicht zum Talk-Ensemble des deutschen Fernsehens, er überlegte genau, wo er sich überhaupt blicken ließ. Statt schneller Kasse beließ er es bei zwei Kinofilmen und etwa 100 TV-Sketchen. Wer würde sich so viele scheinbare Chancen heute entgehen lassen? Dafür zitierte er Thomas Mann und Voltaire auf der Bühne, die ihm vermutlich deutlich näher waren als Dicki Hoppenstedt. Mit Vicco von Bülow geht ein Charakter, von dem dieses Land ein paar mehr brauchte. Aber Loriot war einzigartig.
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