
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Erwartungen an die am Mittwoch anstehenden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs von EU und Eurozone sind angesichts anhaltender Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedsländern gesunken. Mit den Verhandlungen vertraute Personen sagten am Dienstag, voraussichtlich werde es am Mittwoch weder eine Einigung auf das Volumen des Euro-Rettungsfonds EFSF, noch auf den Rekapitalisierungsbedarf der europäischen Banken geben. Denkbar sei dagegen, dass die Höhe des Forderungsverzichts privater Gläubiger gegenüber Griechenland bekannt gegeben werde. Unterdessen verstärkt sich von deutscher Seite der Widerstand gegen künftige Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB).
Bei der Suche nach einem umfassenden Plan für eine Lösung der Euro-Staatsschuldenkrise hängt zwar letztlich alles mit allem zusammen, eine entscheidende Größe ist aber der EFSF, denn aus ihm sollen jene Maßnahmen finanziert werden, die sich aus einem Schuldenschnitt für Griechenland ergeben: Je höher dieser ausfällt, desto höher der Schaden für die Gläubigerbanken, denn sie müssen einerseits höhere Abschreibungen als bisher geplant vornehmen, zugleich aber ihre Ausstattung mit hartem Eigenkapital auf 9% erhöhen. Notfalls müsste hier der EFSF einspringen.
Darüber hinaus könnte mit einem griechischen Schuldenschnitt die Risikoaversion an den Anleihemärkten zunehmen, was die Renditen unter anderem spanischer und italienischer Staatsanleihen steigen lassen würde. Auch hier soll der EFSF tätig werden und am Sekundärmarkt Papiere kaufen, um die Renditen und damit die Refinanzierungskosten dieser Länder unter Kontrolle zu bringen.
Der EFSF benötigt eine ausreichend hohe Schlagkraft, um mit diesen Problemen fertig werden zu können. Die lange Zeit von den Franzosen favorisierte Variante einer EZB-Refinanzierung des Euro-Rettungsfonds ist angeblich vom Tisch - nicht weil die Franzosen eine Monetisierung von Staatsschulden inzwischen ablehnen, sondern weil der Widerstand aus der EZB selbst und aus Deutschland zu groß ist.
Um sicher zu stellen, dass die Idee einer EZB-Refinanzierung nicht doch noch in Detailverhandlungen wieder zutage kommt, haben die Bundestagsfraktionen Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, Verstöße gegen das Verbot der Zentralbankkreditvergabe an Staaten oder staatliche Einrichtungen nicht zuzulassen. Außerdem sollen die Zentralbanken des Eurosystems ihre Staatsanleihekäufe einstellen, sobald der EFSF handlungsfähig ist.
Verhandelt wird dagegen dem Vernehmen nach weiterhin über zwei EFSF-Modelle, von denen das eine eine Teilabsicherung von Staatsanleiheemissionen aus EFSF-Mitteln vorsieht und das andere eine Investment-Zweckgesellschaft für öffentliches und privates Kapital. Beide Modelle könnten kombiniert werden, da das eine eher die Einnahmenseite beschreibt, das andere aber die Ausgabenseite.
Zum Rekapitalisierungsbedarf der Banken: Wie am Dienstag aus Verhandlungskreisen berichtet wurde, haben sich die EU-Länder zwar prinzipiell darauf geeinigt, eine harte Eigenkapitalquote von 9% einzuführen und zu deren Berechnung die so genannte "Basel 2.5"-Methode zu benutzen; auch werde noch diskutiert, die Bestände an Eurozone-Staatsanleihen nach Marktpreisen zu bewerten, aber: Frankreich, Spanien und Italien würden hier nur zustimmen, wenn die Refinanzierung der Banken abgesichert sei, zum Beispiel durch einen ausreichend schlagkräftigen EFSF.
Deshalb dürfte die bereits am Wochenende durchgesickerte Zahl eines Rekapitalisierungsbedarfs der Banken von bis zu 108 Mrd EUR beim Gipfel am Mittwoch nicht offiziell genannt werden. Allerdings übersteigt diese Zahl den bisher von einzelnen Ländern angedeuteten Mittel-Bedarf beträchtlich. So brauchen griechische Banken wohl 45 Mrd EUR, französische 10 Mrd EUR und deutsche 5,5 Mrd EUR. Aus Italien, Spanien oder Irland verlautete bisher nichts.
Mehr Klarheit gibt es dagegen offenbar beim Schuldenschnitt für Griechenland. Nach Angaben einer an den Gesprächen beteiligten Person kommt auf die Geschäftsbanken ein Forderungsverzicht von 60% zu. Allerdings dauerten die Verhandlungen zwischen dem Bankenverband IIF und der EU-Kommission am Dienstag noch an.
Am Mittwoch werden sich gegen 18.00 Uhr zunächst die Staats- und Regierungschefs aller 27 EU-Staaten treffen, nach 19.00 Uhr werden die Gespräche im engeren Kreis Euro-Staaten fortgesetzt.
(unter Verwendung von Berichten von Costas Paris, Andreas Kißler, Beate Preuschoff, Frances Robinson, Matina Stevis und Angelika Busch-Steinfort)
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October 25, 2011 13:22 ET (17:22 GMT)
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