Kapitalmarkt-Experte Halver: "Jetzt bloß nicht stehenbleiben und ausruhen -
eine langfristige Perspektive muss her"
Nach stundenlangen Verhandlungen feiert die Eurozone einen Durchbruch in der
Schuldenkrise. Die Aktienmärkte reagieren mit deutlichen Aufschlägen. "Jetzt
kommt es entscheidend darauf an, diesen Schwung zu nutzen", sagt Robert
Halver. Wie es in Europa aus Sicht des Kapitalmarktexperten weitergeht,
erklärt er im Gespräch mit dem AKTIONÄR.
"Den Skeptikern hat man gezeigt, dass man doch noch zu Entscheidungen in
punkto Euro-Staatsschuldenkrise fähig ist", sagt Robert Halver, Leiter der
Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. "Sicherlich liegt der Teufel im
Finanz-Detail. Aber immerhin, so viel Beweglichkeit des alten Europas
angesichts der zuletzt erschlafften Euro-Muskeln haben so manchen
Marktteilnehmer doch positiv überrascht", führt der Experte aus, richtet den
Blick aber am selben Atemzug nach vorne. "Man kann nicht stehen bleiben oder
gar sich ausruhen. Denn die bislang ergriffenen Maßnahmen sind lediglich
Krisenlösungsschritte, die Euroland bestenfalls in eine stabile Seitenlage
bringen. Der Patient muss wieder aufstehen und laufen können. Dazu muss
neben der Rettung eine langfristige wirtschaftliche Perspektive her", so
Halver.
Schuldenschnitt allein reicht nicht
Seiner Meinung nach hilft hierbei der Schuldenschnitt Griechenland nur halb.
Denn neben dem Finanzproblem hat Griechenland noch ein zweites: "Ein
fehlendes Geschäftsmodell, dass Griechenland in die Lage versetzt, aus
eigener Finanzkraft die Staatsschulden zu bedienen", erklärt der
Finanzprofi. "Diese Perspektive lässt sich aber kaum durch
Investitionshilfen finanzieren, die wiederum von den Euro-Geberländern
finanziert werden müssten. Außerdem soll man etwa Investoren Anreize geben,
statt in Deutschland in Griechenland zu investieren? Das wäre
Planwirtschaft. Das Pferd würde mal wieder von hinten aufgezäumt", warnt
Halver vor falschen Schritten.
Vorbild Argentinien
Daher gehört aus seiner Sicht zur Gesundung Griechenlands auch eine
zeitweise Aufgabe der Euro-Mitgliedschaft, damit das Land - ähnlich wie
damals Argentinien - über Abwertungen seine Wettbewerbsposition verbessert.
"Ohne dieses Instrument wird Griechenland ab der Sekunde, in der der
Schuldenschnitt greift, wieder anfangen Schulden aufzubauen, die nach
einigen Jahren wieder geschnitten werden müssen", sagt Halver.
Bella Italia, statt Bello Berlusconi
Aber auch die anderen prekären Länder - allen voran Italien - müssen jetzt
schnellstmöglich begreifen, dass der gehebelte Rettungsschirm nicht zur
sozialen Hängematte verkommen darf, die dem Land die Mühsal eigener
Anstrengungen zur Sanierung der Staatsfinanzen abnimmt. ,,Der Rettungsschirm
ist bestenfalls Hilfe zur Selbsthilfe. Hier muss Herr Berlusconi erkennen,
dass seinen mit viel "Emozione" vorgetragenen Einsparabsichten tatsächlich
harte Fakten folgen müssen. Nur locker leicht geschlagene Zabaglione wird
die nüchtern denken Finanzmärkte nicht überzeugen, Weiß Halver. "Dem
italienischen Ministerpräsidenten sollte insbesondere klar sein, dass es um
Bella Italia geht, nicht um Bello Berlusconi."
Quo vadis, Europa?
Wie geht es in Europa weiter? Halver kennt die Antwort: "Nicht zuletzt ist
es nötig, dass eine Fiskalunion aufgebaut wird, die Überprüfungen der
nationalen Finanz- und Schuldenpolitik erlaubt. Vertrauen ist gut, Kontrolle
ist besser. Insgesamt hat Euroland über den Krisengipfel eine Schlacht, aber
noch lange nicht den Krieg gewonnen. Die Rekonvaleszenz Eurolands ist kein
Sprint, sondern ein Marathonlauf. Hoffentlich geht den Politikern nicht die
Puste aus."
Mehr Informationen, Nachrichten und Empfehlungen finden Sie im Internet
unter www.deraktionaer.de
+++ Diese Meldung ist keine Anlageberatung oder Aufforderung zum
Abschluss bestimmter Börsengeschäfte. Bitte lesen Sie unseren RISIKOHINWEIS
/ HAFTUNGSAUSSCHLUSS unter www.deraktionaer.de +++ (END) Dow Jones NewswiresOctober 27, 2011 07:35 ET (11:35 GMT)
eine langfristige Perspektive muss her"
Nach stundenlangen Verhandlungen feiert die Eurozone einen Durchbruch in der
Schuldenkrise. Die Aktienmärkte reagieren mit deutlichen Aufschlägen. "Jetzt
kommt es entscheidend darauf an, diesen Schwung zu nutzen", sagt Robert
Halver. Wie es in Europa aus Sicht des Kapitalmarktexperten weitergeht,
erklärt er im Gespräch mit dem AKTIONÄR.
"Den Skeptikern hat man gezeigt, dass man doch noch zu Entscheidungen in
punkto Euro-Staatsschuldenkrise fähig ist", sagt Robert Halver, Leiter der
Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. "Sicherlich liegt der Teufel im
Finanz-Detail. Aber immerhin, so viel Beweglichkeit des alten Europas
angesichts der zuletzt erschlafften Euro-Muskeln haben so manchen
Marktteilnehmer doch positiv überrascht", führt der Experte aus, richtet den
Blick aber am selben Atemzug nach vorne. "Man kann nicht stehen bleiben oder
gar sich ausruhen. Denn die bislang ergriffenen Maßnahmen sind lediglich
Krisenlösungsschritte, die Euroland bestenfalls in eine stabile Seitenlage
bringen. Der Patient muss wieder aufstehen und laufen können. Dazu muss
neben der Rettung eine langfristige wirtschaftliche Perspektive her", so
Halver.
Schuldenschnitt allein reicht nicht
Seiner Meinung nach hilft hierbei der Schuldenschnitt Griechenland nur halb.
Denn neben dem Finanzproblem hat Griechenland noch ein zweites: "Ein
fehlendes Geschäftsmodell, dass Griechenland in die Lage versetzt, aus
eigener Finanzkraft die Staatsschulden zu bedienen", erklärt der
Finanzprofi. "Diese Perspektive lässt sich aber kaum durch
Investitionshilfen finanzieren, die wiederum von den Euro-Geberländern
finanziert werden müssten. Außerdem soll man etwa Investoren Anreize geben,
statt in Deutschland in Griechenland zu investieren? Das wäre
Planwirtschaft. Das Pferd würde mal wieder von hinten aufgezäumt", warnt
Halver vor falschen Schritten.
Vorbild Argentinien
Daher gehört aus seiner Sicht zur Gesundung Griechenlands auch eine
zeitweise Aufgabe der Euro-Mitgliedschaft, damit das Land - ähnlich wie
damals Argentinien - über Abwertungen seine Wettbewerbsposition verbessert.
"Ohne dieses Instrument wird Griechenland ab der Sekunde, in der der
Schuldenschnitt greift, wieder anfangen Schulden aufzubauen, die nach
einigen Jahren wieder geschnitten werden müssen", sagt Halver.
Bella Italia, statt Bello Berlusconi
Aber auch die anderen prekären Länder - allen voran Italien - müssen jetzt
schnellstmöglich begreifen, dass der gehebelte Rettungsschirm nicht zur
sozialen Hängematte verkommen darf, die dem Land die Mühsal eigener
Anstrengungen zur Sanierung der Staatsfinanzen abnimmt. ,,Der Rettungsschirm
ist bestenfalls Hilfe zur Selbsthilfe. Hier muss Herr Berlusconi erkennen,
dass seinen mit viel "Emozione" vorgetragenen Einsparabsichten tatsächlich
harte Fakten folgen müssen. Nur locker leicht geschlagene Zabaglione wird
die nüchtern denken Finanzmärkte nicht überzeugen, Weiß Halver. "Dem
italienischen Ministerpräsidenten sollte insbesondere klar sein, dass es um
Bella Italia geht, nicht um Bello Berlusconi."
Quo vadis, Europa?
Wie geht es in Europa weiter? Halver kennt die Antwort: "Nicht zuletzt ist
es nötig, dass eine Fiskalunion aufgebaut wird, die Überprüfungen der
nationalen Finanz- und Schuldenpolitik erlaubt. Vertrauen ist gut, Kontrolle
ist besser. Insgesamt hat Euroland über den Krisengipfel eine Schlacht, aber
noch lange nicht den Krieg gewonnen. Die Rekonvaleszenz Eurolands ist kein
Sprint, sondern ein Marathonlauf. Hoffentlich geht den Politikern nicht die
Puste aus."
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