
--Einkaufsmanagerindizes sinken im April unerwartet
--Deutsche Wirtschaft stagniert
--Volkswirte: Rezession geht in drittes Quartal
(NEU: Details, Reaktionen von Bankvolkswirten)
Von Hans Bentzien
DOW JONES NEWSWIRES
FRANKFURT (Dow Jones)--Europas Wirtschaft kann sich nicht aus der Rezession lösen. Die Aktivität in der Industrie und im Dienstleistungssektor des Euroraums nahmen im April entgegen den Erwartungen ab, wie Markit im Rahmen seiner aktuellen Einkaufsmanagerumfrage mitteilte. Besonders schwach zeigte sich erneut die Industrie, darunter die deutsche, deren Aktivität deutlich zurückging. Volkswirte befürchten nun, dass die Wirtschaft des Euroraums auch im zweiten Quartal 2012 noch schrumpfen wird. Es wäre das dritte Quartal in Folge.
Der von Markit erhobene Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft ging in erster Veröffentlichung um 1,8 Punkte 47,4 zurück und entfernte sich damit weiter von der Marke von 50 Punkten, oberhalb derer Wachstum signalisiert wird. Der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes sackte auf 46,0 von 47,7 Punkten ab, während die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte einen Anstieg auf 48,1 Punkte prognostiziert hatten. Der Dienstleistungsindex sank auf 47,9 von 49,2 Punkten, erwartet worden war ein Anstieg auf 49,3.
ING-Volkswirt Martin van Vliet war angesichts der wieder etwas stärkeren Wirtschaftsdynamik in Asien und den USA vor allem vom Rückgang des Industrie-Index enttäuscht und warnte: "Zwar besteht unser Basisszenario weiterhin in einer langsamen Rückkehr des Wachstums in der zweiten Jahreshälfte, doch besteht wegen der anhaltenden Schuldenkrise und der negativen Wachstumsimpulse von der Finanzpolitik das Risiko einer etwas längeren Rezession."
Howard Archer von IHS Global Insight äußerte sich ähnlich pessimistisch: "Es ist nicht nur sehr wahrscheinlich, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach einem Rückgang um 0,3 Prozent im vierten Quartal 2011 im ersten Quartals 2012 erneut gefallen ist, die April-Einkaufsmanagerumfrage zeigt, dass ein dritter BIP-Rückgang in Folge wahrscheinlich ist." Archer rechte nun mit zunehmendem Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), ihre Zinsen weiter zu senken. In jüngster Zeit hatten EZB-Offizielle dies wiederholt abgelehnt.
Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson verwies darauf, dass die deutsche Wirtschaft im April nur noch stagniert habe, während es in Frankreich wohl auch wegen der Unsicherheit über den Ausgang der Präsidentschaftswahlen zu einem beunruhigenden Abschwung gekommen sei. Dass die Aktivität auch an der Euro-Peripherie wieder beschleunigt geschrumpft sei, dürfte die Sorgen über den Einfluss der dortigen Sparprogramme verstärken, meinte er. Er sah die Gefahr einer Doppelrezession, die nun ins dritte Quartal gehen könnte.
Der Einkaufsmanagerindex der deutschen Privatwirtschaft sank im April auf ein Fünfmonatstief von 50,9 Zählern, nachdem er im März noch bei 51,6 gelegen hatte. Damit liegt die Privatwirtschaft nur noch knapp über der Wachstumsschwelle. Vor allem das neuerliche Minus bei den Auftragseingängen bereitete den Unternehmen Kopfzerbrechen. "Die Deutsche Wirtschaft steht weiter auf der Kippe zur Rezession", sagte Markit-Ökonom Tim Moore.
Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe fiel nach den Ergebnissen einer ersten Veröffentlichung auf 46,3 von 48,4 Punkten im Vormonat, wie Markit außerdem berichtete. Volkswirte hatten hingegen einen Anstieg auf 49,0 Punkte erwartet. Für den Dienstleistungssektor wurde hingegen ein unerwartet starker Anstieg auf 52,6 von 52,1 Punkten im Vormonat berichtet. Ökonomen hatten dagegen nur eine Verbesserung auf 52,3 Zähler prognostiziert.
In Frankreich sank die Aktivität vor allem wegen eines Einbruchs im Dienstleistungssektor deutlich. Der Sammelindex ging auf 46,8 Punkte von 48,7 zurück. Der Service-Index sackte auf 46,4 von 50,1 Punkten ab, während Ökonomen einen unveränderten Stand prognostiziert hatten. Im verarbeitenden Gewerbe stieg der Index auf 47,3 von 46,7 und lag damit etwas oberhalb der erwarteten 47,0 Punkte.
-Von Hans Bentzien, Dow Jones Newswires, +49 (0)69 29725 300,
Hans.Bentzien@dowjones.com
DJG/hab/chg
(END) Dow Jones Newswires
April 23, 2012 04:58 ET (08:58 GMT)
Copyright (c) 2012 Dow Jones & Company, Inc.