In der Debatte um ein Gesetz zur rituellen Beschneidung von Jungen warnt der Leiter des Deutschen Kinderschmerzzentrums, Boris Zernikow, davor, dass der Beschneidungsschmerz das Gehirn der Kinder verändere. "Es kann sich ein Schmerzgedächtnis bilden", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Studien hätten gezeigt, dass ohne ausreichende Schmerztherapie beschnittene Kinder bei späteren Impfungen mehr Schmerz empfinden. "Ihre Schmerzschwelle ist signifikant niedriger", so Zernikow. "Es liegt nahe, dass für sie später die Gefahr chronischer Schmerzen größer ist." Der Professor an der Vestischen Kinderklinik in Datteln warnt vor allem vor der Beschneidung von Neugeborenen.
Das schmerzunterdrückende System sei erst einige Monate nach der Geburt funktionstüchtig. "Sie empfinden mehr Schmerzen als ein Erwachsener", widerspricht Zernikow einer überholten Lehrmeinung, die sich sogar noch unter Ärzten halte. Gegen die Ausprägung eines Schmerzgedächtnisses könne nur eine betäubende Spritze direkt in die Nervenbahnen zwischen Penis und Gehirn helfen. Das gelinge selbst in Kliniken in fünf bis zehn Prozent der Fälle nicht.
"Bei rituellen Beschneidungen oder anderen weniger fachgerechten Operationen dürfte die Erfolgsquote schlechter aussehen", so Zernikow im "Spiegel". Ärzte hätten einen Eid geleistet, keine Operationen aus nichtmedizinischen Gründen bei Minderjährigen vorzunehmen. "Was gäbe es beispielsweise für einen Aufschrei, käme ein Achtjähriger für eine Schönheitsoperation unter das Messer?", so der Schmerzmediziner.