Mehrere Wirtschaftsverbände sowie der Bund der Steuerzahler haben scharfe Kritik an der Ankündigung des nordrhein-westfälischen Finanzministers Norbert Walter-Borjans (SPD) geäußert, künftig im Bundesrat alle finanzpolitischen Vorhaben der Bundesregierung ablehnen zu wollen. "Politiker sollten die Interessen unseres Landes und seiner Bürger nicht mit Parteiinteressen verwechseln", sagte der Präsident des Familienunternehmer-Verbands, Lutz Goebel, "Handelsblatt-Online".
Danach sehe es aus, wenn SPD-Länder den Bundesrat für eine Totalblockade missbrauchten. "Vor allem wenn der Abbau der kalten Progression für Millionen von Facharbeitern, Handwerkern und Angestellten mit mittleren Einkommen blockiert wird, ist das inakzeptabel", sagte Goebel. Die Steuereinnahmen sprudelten wie nie zuvor und der Staat kassiere von den guten Lohnabschlüssen dieses Jahr überproportional mit. "Damit wird die SPD in der Debatte um Gerechtigkeit unglaubwürdig."
Die Vorsitzende des Verbandes Junger Unternehmer, Marie-Christine Ostermann, verwies ebenfalls auf die Rekord-Steuereinnahmen und fragte: "Wie viel Geld muss noch in die Staatskassen fließen, ehe sich die SPD zufrieden gibt?" Die Sozialdemokraten wollten weder die Bürger über den Abbau der "unsozialen" kalten Progression entlasten, noch die Betriebe verschonen. "Stattdessen will die SPD die Familienunternehmer mit einer höheren Einkommenssteuer und einer Vermögenssteuer belasten", kritisierte Ostermann. "Das ist kontraproduktiv, da so Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert werden." Ostermann forderte, der Staat solle sich stattdessen überlegen, wie im Haushalt strukturell gespart und Ausgaben begrenzt werden könnten.
"Warum wird beispielsweise nicht über einen konsequenten Subventionsabbau nachgedacht", fragte sie. Der Präsident des Steuerzahler-Bundes, Reiner Holznagel, zeigte sich verwundert über die Haltung der SPD, da etwa das Gesetz zum Abbau der kalten Progression eine Gerechtigkeitslücke im Einkommensteuertarif schließe. "Wer dieses Vorhaben als Steuersenkung bezeichnet, offenbart seine Unkenntnis zur Wirkungsweise des derzeitigen Einkommensteuertarifs", so Holznagel. Erschrocken sei er aber vor allem über die gewerkschaftsnahen SPD-Vertreter. "Gerade sie müssten sich eigentlich für dieses Gesetz einsetzen, denn mit dem Abbau der kalten Progression entfalten Lohn- und Gehaltserhöhungen erst richtig ihre volle Wirkung." Es sei doch mehr als ungerecht, wenn Arbeitgeber mindestens einen Inflationsausgleich gewähren, dieser aber von der Steuer bei den Arbeitnehmern "weggefressen" werde. "Weil das aber so ist, profitiert der Staat überproportional, was man derzeit bei den Einnahmen sehr gut beobachten kann." Allein in diesem Jahr würden 5,5 Milliarden Euro mehr eingenommen, nur weil es die kalte Progression gebe, gab Holznagel zu bedenken. Dieses Geld gehöre in die Taschen der Steuerzahler und nicht in die Staatskassen. "Deshalb fordere ich die SPD auf und appelliere an die Gewerkschaften, alles dafür zu tun, dass im Bundesrat das Gesetz zum Abbau der kalten Progression beschlossen wird."