Anlässlich des ersten Demografie-Gipfels fordern Städte und Gemeinden sowie die Wirtschaft von der Regierung rasche und konkrete Maßnahmen zur Bewältigung des bevorstehenden Wandels. "Wir brauchen eine grundlegende Reform des Sozialstaates, weil in einer alternden Gesellschaft nicht immer weniger Junge für immer mehr Ältere auch noch bessere Sozialleistungen erwirtschaften können", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der "Welt".
Nötig sei wie bei der Energiewende ein "komplettes Umsteuern", um den Weg aus dem Schuldenstaat zu finden. Der Präsident des Landkreistages, Hans Jörg Duppré, forderte die Bundesregierung auf, die besonders vom demografischen Wandel betroffenen Gebiete zusätzlich zu fördern. "Die Unterstützung besonders betroffener Gebiete wird nicht zum Nulltarif zu haben sein." Nötig seien Anpassungs- und Umsteuerungsprozesse bis tief hinein in die Infrastruktur, was kostspielig sei, sagte Duppré der "Welt".
Duppré fordert zudem die Einführung eines "Gesetzeschecks Demografie": Jedes Bundesgesetz sollte künftig auf seine Auswirkung vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen "im Sinne einer Gesetzesfolgenabschätzung - einschließlich finanzieller Folgen - überprüft werden". Die Wirtschaft sieht vor allem die Folgen des Wandels für den Arbeitsmarkt mit Sorge. Die Entwicklung stelle die hiesigen meist mittelständischen Unternehmen vor eine große Herausforderung, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, der "Welt". Mit Blick auf den Gipfel der Regierung mahnte der Unternehmer ein gemeinsames Vorgehen an.
"Das Gebot der Stunde lautet: weniger Nebeneinander und mehr Kooperation von allen Gipfelteilnehmern." Viele Betriebe reagieren laut Driftmann bereits auf den wachsenden Fachkräftebedarf. So böten 90 Prozent der Unternehmen beispielsweise flexible und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle an, um das Potenzial der Frauen stärker zu nutzen. Mehr Anstrengung mahnte der DIHK-Chef bei der Zuwanderung und der Integration ausländischer Fachkräfte an. "Neben Information und Werbung im Ausland müssen wir alle zusammen eine bessere Willkommenskultur leben", so Driftmann. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) haben für Donnerstag Vertreter der Länder, Kommunen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und Gesellschaft zum ersten Demografie-Gipfel eingeladen, um über die Bewältigung des Wandels zu beraten. Deutschlands Bevölkerung wird bis 2060 um ein Fünftel schrumpfen. Jeder Dritte wird dann 65 Jahre oder älter sein, jeder Siebte mindestens 80 Jahre. Besonders dramatisch ist die Lage im Osten: Dort wird ein Drittel weniger Menschen leben als heute.