Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich für eine noch tiefere Integration der Europäischen Union ausgesprochen. Es gehe in der Debatte über die Zukunft Europas "gerade nicht um einen Superstaat, sondern um die Fortentwicklung der Idee des Nationalstaats", so der Minister im Gespräch mit der Wochenzeitung "Die Zeit".
"Diese sehr europäische Idee hatte sich schon mit dem Morden des Ersten Weltkriegs ad absurdum geführt", sagte Schäuble. "Es bedurfte aber eines weiteren großen Kriegs, bevor die Idee in die Praxis umgesetzt wurde." Im Zuge dieser Fortentwicklung würden auch die nationalen Parlamente an Einfluss verlieren. "Irgendwann wird das europäische Parlament das Budgetrecht wahrnehmen. Dazu müssen aber noch viele Voraussetzungen erfüllt sein - vor allem müssen es die Menschen als ihre Vertretung annehmen", so Schäuble.
Der Minister nimmt im Gespräch mit der Wochenzeitung zudem die Europäische Zentralbank (EZB) vor der Kritik aus Deutschland in Schutz. "Der EZB zu unterstellen, sie sei nicht stabilitätsbewusst, hieße, die Realität zu ignorieren. Sie agiert innerhalb ihres Mandats."
Schäuble tritt zugleich Spekulationen über eine Spaltung zwischen Deutschland und Frankreich entgegen. "Die Franzosen wissen, dass die Währungsunion nur richtig funktionieren kann, wenn Zuständigkeiten an Brüssel abgegeben werden - auch wenn sie aus historischen Gründen etwas zurückhaltender sind als die Deutschen. Nicolas Sarkozy hatte das verstanden, und ich glaube François Hollande hat es auch verstanden." In der Debatte um ein weiteres Hilfspaket für Griechenland bereitete Schäuble den Boden für eine Abstimmung im Bundestag. "Ich spekuliere hier nicht vor dem Bericht der Troika. Aber im Zweifelsfalle brauchen wir jedenfalls keine Angst zu haben. Für die Opposition wäre das doch auch eine Chance, zu zeigen, ob sie ihrer Verantwortung gerecht werden will."