Der seit Jahren tobende Rechtsstreit zwischen Argentinien und zwei aggressiven US-Hedgefonds geht in die womöglich letzte Runde. Seit mehr als zehn Jahren weigert sich Buenos Aires, Anleiheschulden bei den Investoren zu bezahlen. Wenn das Anfang des vergangenen Jahrzehnts pleitegegangene Land seiner Linie treu bleibt, könnte dies jedoch sehr teuer werden - denn die Gegenspieler sind mit NML und Aurelius zwei aggressive Finanzspekulanten, die bekannt dafür sind, Pleitestaaten in die Mangel zu nehmen. Am Mittwoch treffen die Parteien vor einem Berufungsgericht in New York aufeinander - vielleicht die letzte Station einer langen Reise durch die Justiz.
Die beiden Hedgefonds NML Capital aus dem Imperium des amerikanischen Milliardärs Paul Singer und Aurelius Capital Partners sind auf das Ausschlachten von ohnehin am Boden liegenden Schuldnern spezialisiert. Genau deshalb hatten sie argentinische Staatsanleihen zu Schleuderpreisen gekauft, bevor das Land Ende 2001 Insolvenz anmeldete. Die Fonds bestehen auf voller Rückzahlung. Beim Eintreiben von Schulden machen sie keine Kompromisse. Argentinisches Staatsvermögen wird mit einem Heer von Anwälten rund um den Globus gejagt. Im letzten Herbst gelang es, ein historisches Segelschulschiff in Ghana beschlagnahmen zu lassen - ein symbolträchtiger Coup.
Zuletzt haben die Hedgefonds zweimal vor Gericht gewonnen - der südamerikanische Staat darf deswegen derzeit keine anderen Schulden bedienen. Dabei hat das Land ohnehin genügend andere Probleme. Argentiniens Regierungschefin Cristina Kirchner kämpft mit einer hohen Inflation und geringem Wachstum. Die Mittelschicht protestiert gegen Korruption, Bürokratie und Misswirtschaft. Und als erstes Land überhaupt wurde Argentinien jüngst vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gerügt, weil es seine Daten zur Inflation manipulierte. Und dann sind da noch die Hedgefonds aus New York.
Beim Streit mit den von Regierungsvertretern als "Aasgeier" bezeichneten Fonds wird ein Vorteil aus der Zeit vor der Umschuldung zum großen Nachteil. Dass sich das südamerikanische Land überhaupt vor ein Gericht in New York zerren lassen muss, hängt damit zusammen, dass es sich mit Papieren nach US-Recht für internationale Investoren attraktiv machen wollte. In New York hat Argentinien bisher aber einen schweren Stand. Bezirksrichter Thomas Griesa hat den Klägern schon zwei Mal recht gegeben. Ende Oktober verdonnerte er Argentinien, die strittige Summe von 1,3 Milliarden US-Dollar an die Hedgefonds zu zahlen. Griesa verbot dem Land zudem den Schuldendienst gegenüber seinen anderen Gläubigern, solange die Rechnungen bei Singer und Co. nicht beglichen sind.
Das bringt Argentinien in die Klemme. Denn kurz gesagt bedeutet der Richterspruch: Bezahlt Argentinien seine Schulden bei den Hedgefonds nicht, kann es auch seine restlichen Anleihen in Höhe von 24 Milliarden Dollar nicht bedienen. Es gilt also das Prinzip ganz oder gar nicht, wobei letzteres formal auf einen Zahlungsausfall, also eine technische Staatspleite hinausliefe.
Buenos Aires gelang es zwar, das Urteil bis zum 27. Februar auszusetzen. Zeit, in der neue Argumente präsentiert werden konnten. Das Problem: Es gibt kaum welche. An Geld mangelt es nicht. So beruft sich die Regierung weiter vor allem darauf, dass das Urteil einen Eingriff in die staatliche Immunität darstelle. Wenig überzeugend, heißt es in einer Studie der Kanzlei Shearman & Sterling, denn dieser Einwand sei bereits im Oktober abgelehnt worden. Im Grunde dürfte es ohnehin weniger darum gehen, ob Argentinien seine widerspenstigen Gläubiger bezahlt, sondern wie und wann.
Nach Einschätzung von Analyst Joseph Cotterill, der sich im renommierten Finanzblog "Alphaville" der britischen "Financial Times" mit dem Konflikt befasst, gibt es allerdings eventuell doch noch Strohhalme, an die sich Argentinien klammern könnte. Dabei handelt es sich um die restlichen Anleihegläubiger und die Bank of New York Mellon, die beide an der Seite der Regierung stehen.
Der Grund für diese auf den ersten Blick kuriose Interessenkonstellation: Über die Bank fließen die Zinszahlungen an die übrigen Anleihehalter. Richter Griesa hatte angedroht, das Geld für die Hedgefonds einfach dort zu pfänden, wenn sich Argentinien weiter weigern sollte, sie zu bezahlen. Dass das den eigentlichen Adressaten nicht gefällt, liegt auf der Hand. Doch auch das Geldinstitut wehrt sich und argumentiert, es sei eine neutrale Institution, die nur ihren Job macht.
Sollten die Berufungsrichter diesem Einwand stattgeben, könnten die Gläubiger, die beim Schuldenschnitt bereits auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichteten, vielleicht doch noch am langen Arm der Hedgefonds vorbei bedient werden. Laut Cotterill könnte diese ohnehin schon stark geschröpfte Anlegergruppe ein Grund sein, warum die Richter am Ende doch noch von einer harten Entscheidung gegen Argentinien absehen.
Buenos Aires dürfte so oder so stur bleiben, das hat man bereits deutlich gemacht. Zuletzt stellte die Regierung in Aussicht, die alten Anleihen nochmal zur Umschuldung anzubieten. Dem dürften die "Geier"-Fonds aber kaum zustimmen, so nah wie jetzt sind sie ihrem Ziel noch nie gewesen. Argentinien hat zwar schon angekündigt, zur Not vor das oberste US-Gericht, den Surpreme Court, weiterzuziehen.
Experten bezweifeln jedoch, ob eine solche Klage überhaupt zugelassen würde. So könnte bereits heute Abend die entscheidende Anhörung stattfinden - am Mittwoch um 20.00 Uhr (MEZ) startet der Showdown. Die Parteien haben jeweils 15 Minuten Zeit, um die Richter zu überzeugen./hbr/zb/fbr
--- Von Hannes Breustedt, dpa-AFX ---
AXC0290 2013-02-27/17:35