Regensburg (ots) - Man muss das Münchner Oberlandesgericht, vor dem in knapp zwei Wochen der Prozess gegen die Neonazi-Terrorzelle NSU beginnt, verteidigen. Eine "schützende Haltung" gegenüber Rassisten und Rechtsextremisten nimmt das Münchner Gericht nun wahrlich nicht ein. Dieser Vorwurf aus einem regierungsnahen türkischen Blatt ist absurd. Das OLG ist in jeder Hinsicht unabhängig. Es kann und darf sich nicht um die derzeit aufgeregte Debatte in Politik und Medien scheren. Die Richter der zuständigen Strafkammer müssen die Vorwürfe gegen die fünf Angeklagten prüfen, Angeklagte und Zeugen anhören, die Fakten bewerten und schließlich ein Urteil fällen. Es muss schon im Vorfeld alles ausschließen, was später ein Urteil angreifbar machen könnte. Allerdings darf die Unabhängigkeit des Gerichts nicht mit Blindheit verwechselt werden. Die Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" mit zehn Toten, neun der Opfer haben ausländische Wurzeln, ist kein x-beliebiger Fall. Das Münchner OLG agiert nicht im luftleeren Raum abseits der Gesellschaft. Dass die deutsche und die internationale Öffentlichkeit sehr genau verfolgen, wie gegen mutmaßliche Täter beziehungsweise Helfer verhandelt wird, ist gut und richtig. Zu einer funktionierenden, lebendigen Demokratie gehören nicht nur Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Gerichte, sondern auch eine breite Öffentlichkeit und eine kritische Berichterstattung durch unabhängige Medien. Leider jedoch hat das Oberlandesgericht München bereits viel Porzellan zerschlagen, ehe der NSU-Prozess überhaupt begonnen hat. Die Vergabe der Plätze im Zuschauerraum des Gerichts mag formal in Ordnung sein, klug und der Brisanz des Falles angemessen ist sie allerdings nicht. Dass Journalisten, Nachrichtenagenturen und Botschafter aus den Herkunftsländern der Mordopfer keinen Platz auf den Zuschauerbänken finden sollen, ist eine krasse Fehlentscheidung, die auch nicht mit der Unabhängigkeit der Justiz bemäntelt werden darf. Man fragt sich, waren hier wirklich ahnungslose Justizbeamte am Werk oder die Richter selbst? Auch der "Lösungsvorschlag" des Münchner OLG-Präsidenten Karl Huber ist nicht hilfreich. Demnach sollen bereits zugelassene deutsche Prozessbeobachter ihre Plätze doch bitteschön an die ausländischen Kollegen überlassen, die vor dem Gerichtssaal warten. Damit schiebt Huber den Schwarzen Peter an die Journalisten weiter. Wenn die sich nicht solidarisch verhielten, blieben die ausländischen Berichterstatter eben draußen. Pech gehabt. Von einem Gerichtspräsidenten darf man wohl mehr Fingerspitzengefühl, Sinn für Realitäten und den Willen zu einer echten Lösung erwarten. Ist die verfahrene Situation überhaupt noch zu retten? Aber natürlich. Es gibt genügend zielführende Vorschläge, die das OLG aufnehmen könnte, um die berechtigten Wünsche nach öffentlicher Begleitung des Prozesses, aber auch die richterliche Unabhängigkeit unter einen Hut zu bringen. Dazu gehört eine Video-Übertragung in einen anderen Saal vor ebenfalls akkreditierten Zuschauern von in- und ausländischen Medien. Oder auch ein völlig neues Vergabeverfahren der Zuschauerplätze. Man muss nur eine für alle Seiten annehmbare Lösung auch wirklich wollen. Übrigens, als den mordenden Links-Terroristen der RAF vor über 30 Jahren der Prozess gemacht wurde, da wurde nicht nur ein eigenes Hochsicherheitsgefängnis, sondern auch ein eigener Gerichtssaal gebaut.
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