Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor dessen am Sonntag beginnendem Deutschland-Besuch als "Despoten" bezeichnet. "Mit Demokratie hat die Lage in Russland nichts mehr zu tun, man erlebt dort den Despoten Putin", sagte Roth im Interview mit der "Welt".
In Russland sei es zu "massiver Repression" gekommen, "bei der die landläufige Bezeichnung 'gelenkte Demokratie' schon eine Beschönigung" sei, fügte Roth hinzu und zog Parallelen zum Unterdrückungs-System in der ehemaligen UdSSR: "Schauen Sie sich allein die Wortwahl an: Da wird in der Politik von einem 'NGO-Agentengesetz' gesprochen, es gibt ein 'Hochverratsgesetz' und ein so genanntes Propaganda-Verbot für Schwule und Lesben. Diese Begriffe der heutigen russischen Politik verweisen zurück auf den Sprachgebrauch der alten Sowjetunion, auf die Zeiten von Stalins Verfolgungen und dem Gulag", sagte Roth. Besonders scharf kritisierte die Grünen-Chefin die jüngsten Durchsuchungen russischer Behörden bei ausländischen Stiftungen, unter anderem der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Es gehe bei diesen Durchsuchungen "nicht allein um diese Stiftungen, sondern auch und vor allem um deren zivilgesellschaftliche Partner in Russland", sagte Roth.
"Denn das dortige Regime versucht, über den Druck auf die Stiftungen das zivilgesellschaftliche Engagement in Russland zu kriminalisieren und einzuschüchtern, zu diffamieren und zu diskreditieren." Roth forderte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse bei den Gesprächen mit dem russischen Präsidenten in den kommenden Tagen "Klartext mit Putin reden und sehr deutlich die Entwicklung in Russland sowie Putins eigene Rolle dabei thematisieren". Merkel müsse "ganz klar gegen die Repressionen protestieren, denen deutsche politische Stiftungen in Russland ausgesetzt sind". Roth ging noch weiter und forderte, dass Deutschland als Reaktion auf jene Maßnahmen gegen Stiftungen die Visa-Freiheit für Russen in der EU weiter einschränken solle: "Die Bundesrepublik sollte als Reaktion auf den Umgang Russlands mit deutschen Stiftungen die Visa-Freiheit für die 18.000 russischen Dienstpass-Inhaber innerhalb der Europäischen Union stoppen", sagte Roth.
Jene Dienstpass-Inhaber seien "Vertreter des repressiven Regimes". Es könne "nicht sein, dass sie sich ganz frei in der EU bewegen können, während deutsche und andere ausländische Stiftungen in Russland drangsaliert werden". Nach Ansicht von Roth soll Merkel mit Putin auch über Steuerhinterziehung und Steueroasen reden. Die Bundeskanzlerin treffe sich, so Roth, "in den kommenden Tagen mit einem Mann, der zum Thema Geldwäsche eine Menge sagen könnte". Denn russische Oligarchen könnten, "solange sie Putin nicht kritisieren, mit ihrem Geld tun und lassen, was sie wollen". Roth: "Russland unternimmt viel zu wenig gegen Geldwäsche, Korruption und Steuerhinterziehung. Es wäre für die Weltwirtschaft und auch für Russland selbst sehr nützlich, wenn Russland endlich gegen solche Finanzpraktiken vorginge, schon damit das Geld von Superreichen nicht länger am Staat vorbei gelenkt würde, sondern endlich auch der russischen Mittelschicht und den vielen Armen dort zugute käme." Die Grünen-Vorsitzende rief in dem Interview zu Protesten gegen Putin während seines Besuches bei der Hannover-Messe am Montag auf: "Wir Grünen werden uns an Protesten in Hannover gegen die russische Menschenrechtspolitik beteiligen, und ich rufe alle dazu auf, sich dem anzuschließen", sagte Roth.