Im Konflikt um die Ukraine haben die USA mit Sanktionen den Druck auf Russland erhöht. Während ein EU-Krisengipfel noch über Strafmaßnahmen stritt, verfügte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag Einreiseverbote und Kontensperrungen. Wenige Tage nach dem Machtwechsel auf der Krim trieb das moskautreue Regionalparlament die Abspaltung der Halbinsel von der Ukraine voran. Prorussische Bewaffnete hinderten eine OSZE-Beobachtermission daran, auf die Krim zu gelangen.
Die Abgeordneten des Krim-Parlaments stellten die Weichen für einen schnellen Beitritt der Halbinsel zu Russland. Die mehrheitlich russische Bevölkerung soll bereits am 16. März bei einer vorgezogenen Volksabstimmung darüber entscheiden. Auch in Russland wurden erste Vorbereitungen für eine Angliederung getroffen.
Beim EU-Sondergipfel in Brüssel zogen sich die Verhandlungen über die Krise in der Ukraine in die Länge. Hauptthema war dabei dem Vernehmen nach, wie die EU das Land vor dem Bankrott retten kann. Die EU-Kommission hatte der neuen prowestlichen Regierung am Mittwoch langfristige Finanzhilfen in Höhe von elf Milliarden Euro in Aussicht gestellt, dafür aber Reformen verlangt.
Die Staats- und Regierungschefs der EU berieten auch über mögliche Strafmaßnahmen gegen Moskau. Dabei stand zunächst ein Stopp der Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und das neue Grundlagenabkommen mit Russland zur Debatte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält Sanktionen nur dann für angebracht, wenn Moskau nicht zu Zugeständnissen bereit ist. Man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, "wenn noch keinerlei diplomatische Gespräche stattfinden", sagte sie.
In den vergangenen Tagen hatten prorussische Kräfte auf der Halbinsel die Macht übernommen. Die prowestliche Führung in Kiew und die USA werfen Moskau vor, russische Soldaten hätten die Krim unter ihre Kontrolle gebracht. Russland weist den Vorwurf zurück und spricht von lokalen "Selbstverteidigungskräften". Das russische Vorgehen sei inakzeptabel, zitierte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag auf Twitter Kanzlerin Merkel.
Wen die US-Sanktionen genau betreffen, wurde zunächst nicht gesagt. Darüber sollen sich US-Außenminister John Kerry und Finanzminister Jack Lew abstimmen. Obama ordnete an, die Vermögen all derjenigen einzufrieren, die die Sicherheit und territoriale Unversehrtheit der Ukraine bedrohten. Zudem verschärften die USA die Einreiseverbote, die sie angesichts der Gewalt in der Ukraine bereits verhängt hatten. Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin planen die USA vorerst nicht.
Sanktionen gegen Russland sind unter den EU-Ländern umstritten, weil sie die engen Wirtschaftsbeziehungen gefährden könnten. Ein Stopp der Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und das neue Grundlagenabkommen gelten als weiche Maßnahmen. Die seit Jahren laufenden Gespräche über beide Abkommen kommen ohnehin kaum voran.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte davor, mit Sanktionen gegen Russland die Möglichkeit diplomatischer Lösungen zu verbauen. Es müsse in Brüssel darauf geschaut werden, "dass man hier nicht alle Türen zuschlägt, durch die wir vielleicht noch durchgehen müssen", sagte er in Rom nach Gesprächen mit seinen Amtskollegen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und Italien.
Sanktionen gegen Russland stehen im Raum, nachdem in Paris am Mittwoch die Gründung einer Ukraine-Kontaktgruppe zur friedlichen Lösung der Krise gescheitert war. Sanktionsmaßnahmen müssen von den 28 EU-Ländern einstimmig beschlossen werden.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach in Moskau eine Stunde lang mit Putin über die aktuelle Lage. Der Vizekanzler warnte vor einer Eskalation und mahnte eine Verhandlungslösung an. "Wir sind kurz davor, Europa zurückzuwerfen in die Zeiten des Kalten Krieges", sagte er.
Die deutsche Wirtschaft zeigt sich angesichts möglicher Sanktionen alarmiert. Der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner, warnte vor einer gefährlichen Spirale gegenseitiger Sanktionen zwischen Russland und dem Westen. Sollte der EU-Krisengipfel Strafmaßnahmen gegen Moskau beschließen, werde Russland sofort darauf reagieren, sagte Lindner der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Dabei könnte im schlimmsten Fall deutsches Firmeneigentum konfisziert werden.
Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurde unterdessen der Zugang zur Krim verwehrt. Moskautreue "Selbstverteidigungskräfte" wiesen die internationale Expertengruppe an zwei Kontrollposten ab, wie westliche Diplomaten in Wien sagten. Es habe keine Gewaltandrohung gegeben. Die Gruppe soll die militärischen Aktivitäten Russlands in der Ukraine beobachten. Unter den Experten sind auch zwei Soldaten der Bundeswehr.
Parallel zum Parlamentsbeschluss auf der Krim kündigte die kremltreue Partei Gerechtes Russland in Moskau an, ein neues Gesetz für eine schnelle Aufnahme der Autonomen Republik voranzutreiben. "Bis zum Referendum am 16. März auf der Krim könnte die Staatsduma es angenommen haben", sagte Parteichef Sergej Mironow.
Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk wies den Beschluss des Krim-Parlaments für den Beitritt zu Russland als ungültig zurück. "Dieses sogenannte Referendum hat keinerlei rechtliche Grundlagen", sagte Jazenjuk am Rande des EU-Sondergipfels. "Die Krim ist, war und wird weiterhin ein integraler Teil der Ukraine sein."/tb/ast/wo/hrz/jot/hs/mt/eb/saw/DP/she
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