Erstmals hat sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann direkt zur Kontroverse über höhere Löhne in Deutschland geäußert und 3 Prozent Tarifanstieg als Richtwert genannt. Es sei "zu begrüßen, dass die Arbeitsentgelte wieder stärker steigen", sagte Weidmann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "In einer Reihe von Branchen und Regionen haben wir praktisch Vollbeschäftigung, und es häufen sich die Meldungen über Arbeitskräftemangel." Die 3 Prozent ergäben sich überschlagsmäßig aus mittelfristig knapp 2 Prozent Inflation und 1 Prozent Produktivitätswachstum, sagte Weidmann. Dies ist aus Sicht der Notenbanker der stabilitätspolitisch vertretbare Verteilungsspielraum.
Zuvor hatten der Chefvolkswirt der Bundesbank und der Chefökonom der Europäischen Zentralbank höhere Löhne in Deutschland angeregt. Arbeitgeberverbände, aber auch Gewerkschafter hatten sich hingegen eine Einmischung verbeten. Der Metall-Arbeitgeberverband hatte von einem "gefährlichen Ratschlag aus Frankfurt" gesprochen. Weidmann beteuerte, die Bundesbank mische sich nicht in die Tarifverhandlungen ein. Diese sei Sache der Tarifparteien. Es müsse je nach der spezifischen Lage der Branchen verhandelt werden.
Weidmann mahnte, dass zu hohe Lohnabschlüsse in Deutschland keineswegs zur Lösung der Euro-Krise beitrügen: "Lohnabschlüsse, die deutlich über einen produktivitätsorientierten Anstieg hinausgehen, würden Wachstum und Beschäftigung in Deutschland schaden und dem Euroraum einen Bärendienst erweisen", sagte er.
Im Streit über den Ankauf von Kreditverbriefungen warnte Weidmann davor, dass die EZB die umstrittenen ABS-Papiere (Asset Backed Securities) in großem Stil kauft. ABS-Käufe wären "problematisch, wenn die Notenbanken damit größere Risiken übernähmen, die so im Ergebnis auf die Steuerzahler verlagert würden". In deutlichen Worten warnte er die EZB davor, den Banken faule Papiere abzunehmen. "Es kann nicht angehen, dass Gewinne aus Kreditgeschäften bei Banken verbleiben, die Verluste hingegen sozialisiert werden."
Der Markt für ABS ist seit der Finanzkrise weitgehend ausgetrocknet, weil viele Anleger die Papiere zu undurchsichtig finden und meiden. In der EZB gibt es konkrete Überlegungen, den ABS-Markt durch den Ankauf von verbrieften Mittelstandskrediten wiederzubeleben.
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July 29, 2014 22:00 ET (02:00 GMT)
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