Die "Wirtschaftsweisen" geben der schwarz-roten Koalition eine gehörige Mitschuld an der Konjunkturschwäche in Deutschland. Der aktuelle wirtschaftspolitische Kurs stelle eine Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung dar, schreiben die fünf Top-Ökonomen in ihrem am Mittwoch in Berlin an die Bundesregierung überreichten Gutachten.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Kritik am schwarz-roten Rentenpaket und am Mindestlohn umgehend zurück. In Anspielung auf den Mindestlohn, der erst 2015 eingeführt wird, sagte Merkel: "Es ist nicht ganz trivial zu verstehen, wie ein Beschluss, der noch nicht in Kraft ist, jetzt schon eine konjunkturelle Dämpfung hervorrufen kann." Mit Blick auf den Titel des Gutachtens "Mehr Vertrauen in Marktprozesse" betonte Merkel: "Das Vertrauen haben wir durchaus." Die Regierung werde in dem Gutachten nachlesen, "wo wir es noch mehr haben müssen".
Die Regierung werde sich mit den Ratschlägen der Ökonomen "konstruktiv" auseinandersetzen. Die Wirtschaftsentwicklung habe sich in den vergangenen Monaten und Wochen verlangsamt, erklärte Merkel, die dafür vor allem weltweite Krisen verantwortlich machte. Die Regierung werde einige Maßnahmen ergreifen, um gegenzusteuern. Dazu gehört ein neues 10-Milliarden-Investitionsprogramm.
In ihrem Gutachten senken die Regierungsberater die Konjunkturprognose deutlich: Im nächsten Jahr erwarten sie in Deutschland nur noch ein Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent. Damit sind die "Wirtschaftsweisen" pessimistischer als die Regierung, die für 2015 ein Plus von 1,3 Prozent erwartet. Für 2014 senken die Ökonomen ihre Prognose deutlich von 1,9 auf 1,2 Prozent.
Der Vorsitzende des Rates, Prof. Christoph Schmidt, betonte, Deutschland sei trotz des Dämpfers in seinem Bestand und in seiner Leistungsfähigkeit immer noch stark. Die Wirtschaftspolitik sollte aber dazu beitragen, das Wachstum zu stärken. "Eine wirtschaftliche Aufbruchstimmung hat die Große Koalition jedenfalls bislang nicht erzeugt", heißt es in dem gut 400 Seiten langen Gutachten. "Vielmehr zeichnet sich bereits heute deutlich ab, dass die aktuellen Maßnahmen den künftigen Reformbedarf erhöht haben."
Mit Einführung der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren und der Ausweitung der Mütterrente habe die Bundesregierung ihre wirtschaftspolitischen Spielräume ausgiebig genutzt. Schneller als erwartet habe die Realität die Politik eingeholt. Daher sollte sie sich nun an den langfristigen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel orientieren und mehr Vertrauen in Marktprozesse zeigen, fordern die "Wirtschaftsweisen".
Die derzeit gute Haushaltslage gehe auf die "Kalte Progression" und auf Sonderfaktoren wie die niedrigen Zinsen und die gute Beschäftigungslage zurück. Die Belastung aus der "Kalten Progression" für den Steuerzahler - also Mehreinnahmen für den Staat durch das Zusammenspiel von Lohnerhöhungen, steigenden Steuersätzen und Preissteigerungen - sollte gemildert werden, erklären die Ökonomen./tb/sl/DP/jkr
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