Der Präsident des Münchener Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schwere Fehler in den Verhandlungen zur Rettung Griechenlands vorgeworfen. "Angela Merkel hatte direkt nach dem negativen Ausgang des Referendums die Möglichkeit gehabt, dem Spuk ein Ende zu bereiten", sagte Sinn dem "Handelsblatt".
Die Chance habe sie aber nicht genutzt, sondern sich vom französischen Präsidenten François Hollande in eine weitere Verhandlungsrunde hineinziehen lassen. "Nun ist der Marsch in die mediterrane Transferunion, die sich im politischen Streit über die Modalitäten des europäischen Finanzausgleichs zerreiben wird, kaum noch zu stoppen", glaubt Sinn und fügte hinzu: "Während Frankreich sich umarmen lässt, ist Deutschlands Rolle als hässlicher Gläubiger programmiert." Mit Blick auf Griechenland kritisierte der Ifo-Chef, dass der griechische Premier Alexis Tsipras nun wesentlich mehr Geld herausgeschlagen habe, als man vor einer Woche noch für möglich gehalten hätte. "Das Geld wird genauso verpulvert werden wie die 332 Milliarden Euro, die Griechenland bislang an öffentlichen Mitteln zugeflossen sind", ist Sinn überzeugt.
Es werde abermals dazu verwendet werden, die von den Märkten erzwungene Austerität zu mildern und damit die reale Abwertung zu verlangsamen oder zu verhindern, ohne die sich die Wettbewerbsfähigkeit im Euro nicht herstellen lässt. "Nur ein Austritt und eine Abwertung kann die Arbeitslosen von der Straße bringen und eine wirtschaftliche Gesundung einleiten, die dem Land erlaubt, wieder auf eigenen Beinen zu stehen", sagte Sinn.