
Seit Freitag kursieren Gerüchte, wonach die Ukraine einen Schuldenschnitt plant. Vor vier Wochen erhielt sie neue Kredite aus dem Westen, um nun ganz frech zu erklären, dass man die demnächst fälligen Anleihen graduell um etwa 40 % auf 60 % des Nominalwertes kürzen möchte. Eine erste Anleihe ist im August und eine zweite im September fällig.
Dieses Mal sind die Amerikaner voraussichtlich ebenfalls dabei, aber soweit bekannt sind die Ukraine-Anleihen weitgehend im europäischen Besitz.
Für die Amerikaner ist es eine geopolitische Aufwendung, die in kleinen Größenordnungen zu vermuten ist. Für die Europäer addiert sich der Schaden nach entsprechenden Schätzungen und je nach Anwendung auf wohl 14 bis 16 Mrd. Euro. Ob Deutsche dabei sind, ist nicht bekannt. Who's next?
Aktuell bietet sich noch kein neuer Kandidat an, aber einige könnten durchaus schon in Wartestellung gehen. Nämlich diejenigen, die schon umfangreiche Kredite erhalten haben, die jedoch bilateral verhandelt waren und nicht in Bonds am Markt notieren. Dazu gehören Georgien, Armenien etc.
Und die Türkei? Sie ist bislang kein schlechter Schuldner, aber auch kein extrem guter. Das drückt sich am besten im Wechselkurs der türkischen Lira aus, die trotz befriedigender Wirtschaftsdaten der Türkei Schwächen zeigt. Der offizielle Verschuldungsgrad der Türkei liegt deutlich über 100 %. Soweit es internationale Vergleichsstatistiken gibt, sogar bei 120 bis 130 %.
Die Eskalation in der Türkei ist durchaus brisant. Staatspräsident Erdogan fährt eine typisch türkische Politik. Er verbindet seine Militär-Aktionen gegen den IS mit einer innenpolitischen Attacke gegen die PKK. Fährt er damit fort, gerät die Türkei als Schuldner mit ziemlicher Sicherheit in eine Schieflage.
Ein Absturz der Bond-Kurse auf 70 % lässt sich dann mit Leichtigkeit voraussagen. Dann geht es erneut um eine Umschuldung, Neuverschuldung, Brückenfinanzierung etc. Jedenfalls:
Die Türkei gehört zwar nicht zu Europa und nicht zur Eurozone, aber sie entspräche dem Muster, wie dargelegt. Dann lässt sich alles Weitere demnächst fortsetzen.
Der Domino-Effekt ist keine Erfindung, sondern eine historische Erfahrung. Ist ein allgemeines Klima dieser Art geschaffen, ist die Verlockung zu groß, um sie nicht zu nutzen. Dann geht es nicht darum, ob deutsche Adressen etwas mehr oder weniger Geld verlieren, sondern darum, was Staatsschulden im Grundsatz wert sind. Nämlich deutlich weniger, als sie im Zuge sinkender Zinsen zu Preisen gehandelt werden, die weitaus überhöht sind. An einem Beispiel:
Ein AAA Schuldner wird zurzeit mit einer Rendite von 2,5 bis 3,5 % im internationalen Rahmen eingeordnet. Die Orientierung dazu sind US-TBs, deutsche Bundesanleihen und die Schweiz.
Schuldner im Ranking von BBB und niedriger müssen dafür unter normalen Umständen 6 bis 7 % als Coupon akzeptieren. Das trifft für Italien oder Spanien zu und teilweise auch für Frankreich. Doch tatsächlich werden sie weitaus günstiger bewertet, weil die bekannte Maastricht-Garantie gilt.
Ändert sich jedoch die Qualitätseinschätzung von Staatsanleihen im Grundsatz, müssen alle nach ihrer tatsächlichen Bonität eingeschätzt werden und das bedeutet deutlich niedrigere Bewertungen der Anleihen im Kurs und ebenso deutlich höhere Zinsen als Spiegelbild dazu.
Ob dieser Sachverhalt spurlos an den Anleihe-Märkten vorbeigehen wird, möchten wir sehr bezweifeln. Eben Domino-Effekte!
© 2015 Bernecker Börsenbriefe