Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) plant, noch in dieser Legislaturperiode eine große Rentenreform auf den Weg zu bringen, um Alterarmut zu vermeiden. Nahles sagte der Zeitung "Bild am Sonntag": "Ich will, dass das Sicherungsniveau auf heutigem Stand bleibt. Das geht nur, wenn wir alle drei Säulen in den Blick nehmen und neu justieren, also gesetzliche Rentenversicherung, Betriebsrente und Riester-Rente. Die gesetzliche Rente allein wird das nicht tragen können. Dazu werde ich im Herbst ein Gesamtkonzept vorlegen."
Ob sich die Große Koalition auf eine solche umfassende Reform einigen könne, sei "eine Frage der Kraft und des Willens".
Nahles betonte: "Ich bin dazu bereit." Die Arbeitsministerin stellte erste Details der von ihr geplanten Lebensleistungsrente vor: "Wer ein Leben lang Vollzeit gearbeitet hat, muss mehr haben als die Grundsicherung im Alter. Deswegen soll in der Rente ein Abstand zur Grundsicherung geschaffen werden. Dabei werden wir bis zu fünf Jahren Arbeitslosigkeit anrechnen."
Aktuell betreffe das eine noch relativ kleine Gruppe. "Die wird aber stark wachsen, wenn die Jahrgänge in Rente gehen, die nach der Wende zeitweise arbeitslos waren. Im nächsten Haushalt planen wir mit 180 Millionen Euro, das wird aber später anwachsen", so die Ministerin. Damit wohlhabende Ehepartner von dieser staatlichen Leistung nicht profitieren können, will Nahles eine Partner-Prüfung einführen: "Davon gibt es sehr viele Fälle. Leider können wir aus dem Rentenbescheid nicht ablesen, ob jemand allein von der kleinen Rente leben muss oder ob es nur eine Ergänzung des guten Partnereinkommens ist. Deshalb werden wir die Partnereinkommen bei der Lebensleistungsrente berücksichtigen müssen. Das ist kein allzu großer bürokratischer Aufwand, aber wichtig für die Gerechtigkeit."
Als weiteren Punkt will Nahles die Betriebsrenten stärken: "Ich bin dafür, dass wir die Betriebsrenten ausbauen."
Sie sei sich mit Finanzminister Schäuble einig, "dass wir auch kleinen und mittleren Unternehmen, die sich aus Haftungsgründen da nicht herantrauen, eine Möglichkeit für Betriebsrenten geben". Dazu würden sie zügig einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen. Ob Betriebsrenten verpflichtend werden, darüber diskutiere sie mit Schäuble noch. Nahles betonte die Vorteile der Betriebsrente mit geringeren Verwaltungskosten und Provisionsfreiheit: "Betriebsrenten sind wesentlich stabiler als alle privaten Anlageformen, die wir derzeit haben."
Als einen der ersten Reformschritte schlägt Nahles die Eingliederung von Solo-Selbstständigen in die gesetzliche Altersvorsorge vor: "Ich bin sehr dafür, in einem ersten Schritt kleinere Selbstständige in das System aufzunehmen - entweder in die gesetzliche Rentenversicherung oder in ein eigenständiges Versorgungswerk. Hier geht es immerhin um zwei Millionen Menschen, die meistens so wenig verdienen, dass sie allein nicht fürs Alter vorsorgen können. Deshalb arbeiten wir an einem Vorschlag." Noch unklar ist die Finanzierung der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Angleichung der Renten in Ost und West. Nahles: "Wir sind dank des Mindestlohns im Osten inzwischen bei 94 Prozent des Westniveaus. Eine komplette Angleichung der Renten kostet knapp vier Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich. Dafür muss eine Finanzierung gefunden werden."