Von Christian Grimm
BERLIN (Dow Jones)--Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hat die Türkei zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit gemahnt, wenn das Land für deutsche Investoren attraktiv bleiben wolle. "Der Rechtsstaat ist ein elementar wichtiger Punkt für unternehmerisches Handeln", sagte Zypries bei einem Empfang mit deutsch-türkischen Unternehmern in Berlin.
Nur wenn sich ein Unternehmer sicher sein könne, dass zum Beispiel sein Besitz in der Türkei nicht konfisziert werde, so Zypries, werde er investieren. "Diese Rechtssicherheit muss da sein und dazu gehören unabhängige Gerichte", betonte die SPD-Politikerin.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem jahrzehntelangen Partner am Mittelmeer sind so schlecht wie lange nicht. Die Bundesregierung lehnt den autoritären Kurs von Präsident Recep Tayyip Erdogan ab, kann aber wegen des Flüchtlingsabkommens nicht alle Brücke abreißen. Erdogan provozierte Berlin in jüngster Vergangenheit mit abstrusen Nazi-Vergleichen, stellte seine rhetorischen Entgleisungen aber vor kurzem ein.
Die deutschen Ausfuhren in den Markt mit 80 Millionen Einwohnern sind im gesamten vergangenen Jahr trotz der aufgewühlten politischen Lage nur moderat gesunken. Allerdings ging es im Schlussquartal steil bergab.
Der Hauptstadtrepräsentant der deutsch-türkischen Wirtschaftsvereinigung, Suat Bakir, erwartet, dass sich die Beziehungen nach dem umstrittenen Referendum über Erdogans Verfassungsreform am 16. April wieder verbessern werden. "Die deutsch-türkischen Beziehungen werden wieder softer werden. Schon heute haben Erdogan und seine Minister die verbalen Angriffe gegen Deutschland eingestellt", sagte Bakir.
Er appellierte an die Regierung in Ankara, die öffentlichen Bekundungen zu Rechtstaatlichkeit auch umzusetzen. "Sie sagen, es gebe keine Verletzungen. Dann müssen sie das auch beweisen", forderte Bakir. Die deutschen Mittelständler befänden sich derzeit in Wartestellung und setzten darauf, dass der Volksentscheid Klarheit bringe. "Das Potenzial des Marktes mit einer jungen Bevölkerung bleibt nach wie vor groß", meinte Bakir.
Im vierten Quartal hatte die türkische Wirtschaft überraschend stark um 3,5 Prozent zugelegt. Vor allem Steuernachlässe auf den Konsum befeuerten die Inlandsnachfrage. Die Konjunkturspritzen laufen aber zum Großteil Ende April und damit zwei Wochen nach dem Referendum aus, was zu Vorzieheffekten geführt hat.
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April 10, 2017 15:13 ET (19:13 GMT)
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