BERLIN (dpa-AFX) - In Deutschland wird in den nächsten Jahren nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weit mehr vererbt und verschenkt als bisher angenommen. Zwischen 2012 und 2027 belaufe sich das Erbvolumen auf schätzungsweise bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist gut ein Viertel mehr als in früheren Studien unterstellt, wie aus einem aktuellen Bericht des DIW hervorgeht. Die Berliner Forscher berücksichtigten bei den Zahlen nach eigener Aussage auch Wertveränderungen sowie Auswirkungen von regelmäßigem Sparen. Dadurch übertreffe das voraussichtliche Erbvolumen den reinen Vermögensbestand deutlich.
Für die Studie wurde als Basisszenario der Vermögensbestand der über 70-Jährigen im Jahr 2012 betrachtet. Daraus ergebe sich für die folgenden 15 Jahre ein potenzielles Erbvolumen von 1,31 Billionen Euro - oder 87 Milliarden Euro pro Jahr. Unter Berücksichtigung des Spareffekts und einer angenommenen Wertsteigerung des Vermögens von jährlich zwei Prozent erhöhe sich dieses Volumen um 28 Prozent auf 112 Milliarden Euro pro Jahr. Hochgerechnet auf die gesamte Bevölkerung ergebe sich schließlich ein voraussichtliches Erbvolumen von bis zu 400 Milliarden pro Jahr.
2015 belief sich das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland den Angaben zufolge auf 11,2 Billionen Euro. Das Nettovermögen besteht sowohl aus dem Geld- und Immobilienvermögen als auch aus Betriebsvermögen, abzüglich aller Verbindlichkeiten wie Konsumentenkredite oder Hypotheken. Ein Teil dieses Vermögens wird jedes Jahr an die nächste Generation übertragen - durch Erbschaften nach dem Tod oder durch Schenkungen.
Wie viel genau vererbt oder verschenkt wird, ist laut DIW aber nicht bekannt, da das Statistische Bundesamt nur die steuerlich veranlagten Fälle ausweise. Danach belief sich das geerbte und geschenkte Vermögen 2014 auf 108,8 Milliarden Euro. Über das Gros der Erbfälle ist aufgrund hoher Freibeträge dem DIW zufolge nichts bekannt. Auch zu jährlichen Übertragungen von Vermögen an steuerlich begünstigte Organisationen wie Kirchen, Parteien oder gemeinnützige Organisationen lägen keine Informationen vor.
Das DIW verweist auf Annahmen, dass in der aktuellen Dekade jährlich 200 Milliarden bis 300 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt werden
- beziehungsweise zwischen 2015 und 2024 rund 3,1 Billionen Euro insgesamt. In diesen Studien würden aber weder Wertänderungen des Vermögens, regelmäßiges Sparen noch der Konsum dieser Personen berücksichtigt, sondern eine rein statische Größe angenommen.
Trotz des hohen Erbvolumens ist laut DIW aber fraglich, ob sich dies auch in einem deutlich steigenden Aufkommen aus der Erbschafts- und Schenkungsteuer niederschlägt. Die Mehrzahl der Erbschaften könne aufgrund der aktuell geltenden hohen Freibeträge steuerfrei übertragen werden. Dies gelte auch für sehr hohe Vermögen, die als Betriebsvermögen weitgehend steuerfrei übertragen werden können. Das DIW rät dazu, die Freibeträge und Steuerprivilegien für Unternehmensvermögen auf den Prüfstand zu stellen. Unter anderem die Union und FDP lehnen dies ab, SPD, Linke und Grüne sind dafür./sl/DP/zb
AXC0018 2017-07-05/06:10