Energieunternehmen schlagen Alarm wegen möglicher Folgen der von den USA geplanten Russland-Sanktionen für die Öl- und Gasversorgung. "Sollten die Sanktionen tatsächlich so kommen, hätte das eklatante Auswirkungen auf die gesamte Öl- und Gasversorgung. Erfasst sind nach bisherigem Stand alle Pipelines, die Öl oder Gas aus Russland exportieren. Die Folgen reichen also von China bis Westeuropa", sagte Matthias Warnig, Chef der Pipelineentwicklungsgesellschaft Nord Stream 2, dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe).
"Es ist im Interesse Europas, die Versorgungssicherheit eigenständig zu gewährleisten", sagte Rainer Seele, Chef des österreichischen Energiekonzerns OMV, dem "Handelsblatt". Statt die Lieferungen aus Russland zu gefährden, muss nach Überzeugung Seeles sogar mehr Gas aus Russland nach Europa kommen.
"Aus europäischer Sicht sind zusätzliche Erdgasmengen aus Russland notwendig, da die eigene Produktion deutlich zurückgeht", sagte Seele. Der OMV-Chef wirbt in diesem Zusammenhang für das Projekt "Nord Stream 2", das die Kapazität der bestehenden Ostseepipeline verdoppeln soll. Das bringe zusätzliche Versorgungssicherheit und garantiere den europäischen Kunden attraktive Konditionen, sagte Seele. OMV ist an der Finanzierung von Nord Stream 2 beteiligt.
Auslöser der Kritik sind die kürzlich vom US-Senat beschlossenen Sanktionen gegen Russland. Demnach sollen sämtliche Unternehmen mit Sanktionen belegt werde, die dabei helfen, russische Gas- und Ölpipelines zu bauen, zu betreiben oder auch nur zu warten. Die Unternehmen sollen so gezwungen werden, ihre Russland-Aktivitäten einzustellen. Die Maßnahme, die vor allem Russland schwächen soll, trifft damit gleichzeitig Europa, weil sie die Versorgung mit russischem Gas und Öl empfindlich stören könnte.
Das US-Repräsentantenhaus muss den Plänen noch zustimmen. Die Bundesregierung bemüht sich, Schaden abzuwenden. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dazu offiziell lediglich, man befinde sich "in intensivem Austausch mit der US-Seite". Man setze sich im Gespräch mit hochrangigen US-Vertretern dafür ein, "kollaterale Auswirkungen vor allem auch auf europäische Unternehmen zu vermeiden".
In Verhandlungskreisen heißt es, derzeit versuchten die Vertreter verschiedener EU-Staaten, darunter neben Deutschland auch Großbritannien und die Niederlande, in Washington in der Frage der Russland-Sanktionen Einfluss auf die US-Politik zu nehmen. Enge Berater der Bundeskanzlerin wie Christoph Heusgen und Lars-Henrik Röller hätten bereits in Washington vorgesprochen, um einen Kurswechsel zu bewirken. Eine Arbeitsgruppe von Kanzleramt, Auswärtigem Amt und Wirtschaftsministerium koordiniere das Vorgehen.