Nach mehr als fünfjähriger Job-Krise ist nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt geschafft. Mehrere wichtige Indikatoren wiesen nun seit drei Monaten eine positive Tendenz auf, sagte der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, am Dienstag in Nürnberg. Erstmals seit der deutschen Wiedervereinigung ging die Zahl der Arbeitslosen im Ferienmonat Juli zurück. Wegen des für 2007 erwarteten schwächeren Wirtschaftswachstums sei aber noch unklar, ob sich die "Wende zum Besseren" im nächsten Jahr fortsetzen werde.
Die Zahl der Arbeitslosen sank im Juli überraschend um 12.000 auf 4.386.000. Das waren 451.000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote blieb unverändert bei 10,5 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 11,7 Prozent gelegen. In den vergangenen Jahren war die Zahl der Arbeitslosen im Juli wegen der üblichen Sommerflaute um jeweils etwa 100.000 im Vergleich zum Vormonat gestiegen. Selbst Experten zeigten sich überrascht von der jetzigen Entwicklung.
WEISE: DATEN BESTÄTIGEN 'GÜNSTIGE ENTWICKLUNG DER VERGANGENEN MONATE'
"Die Juli-Daten bestätigen die günstige Entwicklung der vergangenen Monate", kommentierte Weise die Zahlen. Sie sei von sinkenden Arbeitslosenzahlen, steigender Beschäftigung und einem wachsenden Angebot an freien Stellen gekennzeichnet. "Da diese Entwicklung nun schon mehr als drei Monate anhält, können wir von einer Trendwende am Arbeitsmarkt sprechen", sagte Weise. Als "erfreulich" wertete auch Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) die jüngsten Daten. "Aus günstigen Meldungen der letzten Monate wird nun ein Trend", sagte der Minister am Dienstag in Berlin.
Als Gründe für das Ausbleiben der sonst üblichen Sommerflaute führte Weise unter anderem die wachsenden konjunkturellen Impulse an, die sich Monat für Monat in einem steigenden Stellenangebot niederschlagen. So seien den deutschen Arbeitsagenturen im Juli 627.000 freie Jobs gemeldet worden - 180.000 mehr als als im Juli 2005. Zudem habe die bessere Betreuung von Langzeitarbeitslosen erstmals die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger leicht sinken lassen. Wegen des frühen Zählstichtags im Juli werde sich ein Teil der Sommerflaute wohl erst in den Augustzahlen niederschlagen.
ENTLASTUNG DURCH EIN-EURO-JOBS
Deutlicher entlastet als im Vorjahr hatten den Juli-Arbeitsmarkt nach den BA-Zahlen auch die so genannten Ein-Euro-Jobs. Sie lagen im Juli mit 281.400 um 35.100 höher als im Juli 2005. Auch habe das Auslaufen des Ich-AG-Modells Ende Juli noch einmal zu einem Run auf den Existenzgründungszuschuss geführt, räumte die BA ein. Die Zahl der Neubewilligungen habe im Juli mit 16.000 um 85 Prozent über dem Juni-Niveau gelegen.
Als Folge der weiter sinkenden Arbeitslosenzahlen hat sich nach Weises Angaben auch die Finanzlage der Bundesagentur als Träger der Arbeitslosenversicherung weiter verbessert. So habe die BA bis Ende Juli einen Überschuss von 5,29 Milliarden Euro erwirtschaftet; ursprünglich hatte sie nur mit knapp einer Milliarden gerechnet. Eine Prognose für den Überschuss des Gesamtjahres 2006 will Finanzvorstand Raimund Becker erst Ende August abgeben. Dann sei klar, wie hoch die Strafzahlungen der BA an den Bund für Arbeitslose ausfallen, die länger als ein Jahr ohne Job seien.
SINKENDE AUSGABEN BEIM ARBEITSLOSENGELD
Hauptgründe für den überraschend hohen Überschuss seien neben den gestiegenen Beitragseinnahmen auch sinkende Ausgaben beim Arbeitslosengeld, erläuterte Becker. Auch zahle sich der zielgerichtete Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente zunehmend aus.
Saisonbereinigt errechnete die BA für Juli einen Rückgang der Erwerbslosenzahl um 84.000 auf 4,440 Millionen. Unverändert groß ist die Kluft zwischen den Arbeitsmärkten West und Ost. In den alten Ländern waren Mitte Juli nach unbereinigten Zahlen 2.960.000 Männer und Frauen ohne Beschäftigung. Das waren 6.000 weniger als im Juni und 280.000 weniger als vor einem Jahr. In Ostdeutschland waren 1.426.000 Menschen erwerbslos gemeldet, 7.000 weniger als im Juni und 171.000 weniger als im Juli 2005. Die Arbeitslosenquote blieb im Westen bei 8,9 Prozent, im Osten ging sie um 0,1 Punkte auf 16,7 Prozent zurück./kt/DP/he
AXC0141 2006-08-01/14:30