Kommentar der Financial Times Deutschland zu sich zersetzendenEuroscheinen - vorab3.11.2006

Finstere Gesellen   H ilfe, wo ist das Geld? Eben war es doch noch da! Es kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!  Während die Politik in Berlin über einen möglicherweise unverhofften Finanzsegen debattiert, schlägt sich das Volk wieder einmal mit ganz anderen, sehr viel praktischeren und dramatischeren Problemen herum: Das Geld zerrinnt ihm zwischen den Fingern; und zwar - das ist neu - noch ehe man es ausgegeben hat. Einen Säureangriff auf die Banknoten meldet die Polizei. Die raffinierten Täter müssen Großes vorhaben. Vom Bolschewistenführer Lenin stammte einst die Theorie, dass der sicherste Weg, eine bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, die Zerrüttung ihrer Währung sei. Es könnte sich beim Bröselgeld also um den Versuch einer linksextremistischen Konter-Konterrevolution handeln. Allerdings sind seit Lenin so viele andere Methoden zur Zerstörung des Bürgertums erfunden worden, dass der Griff in den Chemiebaukasten doch etwas primitiv wäre. Viel plausibler ist, dass die Täter ein paar freischaffende Konjunkturankurbler sind. Aus den Schriften des unorthodoxen Geldtheoretikers Silvio Gesell (1862 - 1930) ist schließlich bekannt, dass eine Wirtschaftskrise auftritt, weil die Menschen plötzlich ihre Taler horten - statt sie schön gleichmäßig durch die Wirtschaft wandern zu lassen. Der nahe liegende Ausweg ist ein Schwundgeld, das von Tag zu Tag ganz offiziell an Wert verliert. Wer damit nicht schnell einkaufen geht, ist selber Schuld. Nun hat die Bundesregierung keinen Zugriff mehr auf das Geldwesen, sondern kann allenfalls versuchen, via Mehrwertsteuerschock Kaufpanik auszulösen. Ob das so klappt, ist aber noch immer unklar. Vermutlich helfen die Konjunkturgesellen jetzt nach. Vielleicht sind es aber auch nur Agenten der Kreditkartenbranche.

         

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