Im 20. Jahr der deutschen Einheit bekommen knapp 37.000 frühere politische DDR-Häftlinge eine Opferrente. Zweieinhalb Jahre nach Einführung der SED-Opferpension ist in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin ein großer Teil der Anträge entschieden, ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa. Gleichzeitig wurden Forderungen laut, das Gesetz nachzubessern, um weitere Opfergruppen zu entschädigen und Einkommensgrenzen aufzuheben.
Die meisten Ersuchen wurden bislang in Sachsen bewilligt. Dort beziehen fast 9.200 Menschen die Opferrente, die ungekürzt 250 Euro im Monat beträgt. In Berlin wurde in 7.250 Fällen zu Gunsten der Opfer entschieden. In Sachsen-Anhalt erhalten rund 6.000 Opfer des SED- Regimes die Zahlung, in Thüringen sind es 5935 Menschen. In Brandenburg beziehen fast .4400 Ex-Häftlinge die Pension, in Mecklenburg-Vorpommern sind es 4.065 Opfer.
VORAUSSETZUNG IST POLITISCHE HAFT IN DER DDR VON MINDESTENS SECHS MONATEN
Voraussetzung ist eine politische Haft in der DDR von mindestens sechs Monaten. Die Pension darf auf keine andere Sozialleistung angerechnet werden. So wird die Rente unabhängig von der Altersrente oder einer Rente wegen Berufsunfähigkeit gezahlt. Die Pension wird aber mit Einkommen verrechnet. Dafür sind Grenzen festgelegt. Alleinstehende dürfen demnach derzeit nicht mehr als 1077 Euro verdienen, um die volle Opferrente zu bekommen. Wer verheiratet oder in einer Lebensgemeinschaft ist, für den liegt die Grenze bei monatlich 1.436 Euro.
Im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales seien unter den Antragstellern auch frühere Inoffizielle Mitarbeiter (IM) der DDR- Staatssicherheit gewesen, sagte Irmgard Oehlert für die Behörde. "Die denken, 20 Jahre nach dem Mauerfall können wir es ja mal versuchen." Es sei dreist und nicht akzeptabel, wenn jahrelange Stasi-Spitzel eine Entschädigung beantragten. "Das lehnen wir selbstverständlich ab, die IM-Tätigkeit ist ein Ausschließungsgrund." Zur Prüfung gehört auch die Anfrage bei der Stasi-Unterlagen-Behörde.
ETLICHE DER FRÜHEREN HÄFTLINGE STELLTEN ERST JETZT EINEN ANTRAG
Etliche der früheren Häftlinge stellten erst jetzt einen Antrag auf Rehabilitierung beim Gericht, hieß es im Berliner Landesamt. Die Anerkennung der politischen Haft sei eine der Voraussetzungen für die Rente. Rückwirkende Zahlungen gibt es nicht. Die Opferrente sei auch nicht vererbbar.
In Sachsen wurde jeder zehnte Antrag abgelehnt, teilte die Landesdirektion Chemnitz mit. Gründe waren entweder eine zu kurze Haftzeit oder ein zu hohes Einkommen. In etwa 100 Fällen wurden Zusagen nach Auskünften aus der Stasi-Unterlagen-Behörde widerrufen. Der Hälfte der Empfänger steht eine Einkommensüberprüfung ins Haus. Dabei solle "möglichst behutsam" vorgegangen werden.
IN THÜRINGEN BEKOMMEN FAST ALLE DIE VOLLE PENSION
In Thüringen bekommen fast alle die volle Pension. Bislang wurden nach Angaben des Sozialministerium knapp 40,8 Millionen Euro für die Opferrente bereitgestellt. Bürgerberater Thomas Heinemann sagte, es sei problematisch, dass das Kindergeld eingerechnet werde. Ihm seien zwei Fälle von Alleinerziehenden bekannt, die durch das Kindergeld an der Pension vorbeischrammten. Thüringen mache sich auch dafür stark, dass etwa auch verfolgte DDR-Schüler entschädigt werden, hieß es aus dem Ministerium.
In Mecklenburg-Vorpommern sind laut Justizministerium 94 Prozent der Anträge entschieden. Inzwischen stellten vermehrt ehemalige Insassen von DDR-Kinderheimen und Jugendwerkhöfen Anträge auf Rehabilitierung. Das Verfassungsgericht in Karlsruhe einer Klage eines Ex-Heimkindes stattgegeben. Seitdem gebe es bei den Gerichten eine Antragsflut ehemaliger Heimkinder. Der einstige DDR- Bürgerrechtler Heiko Lietz zeigte sich empört über die "unverschämt hohen Renten" für ehemalige DDR-Funktionäre. Im Vergleich dazu würden die friedlichen Revolutionäre nur "abgespeist".
In Sachsen-Anhalt gingen monatlich im Schnitt noch 45 bis 50 neue Anträge ein, hieß es im Sozialministerium. In Brandenburg rechnet das Justizministerium in diesem Jahr mit etwa 450 Neubewilligungen. Die oppositionelle CDU emfindet die Voraussetzung von sechs Monaten Haft als Diskriminierung der SED-Opfer. Den meisten Betroffenen gehe es nicht um das Geld, sondern um die Anerkennung, sagt CDU- Generalsekretär Dieter Dombrowski./ju/DP/he
AXC0035 2010-03-14/15:16