DJ UPDATE: ifo-Index im Juli auf höchstem Stand seit drei Jahren
(NEU: Details, Kommentare von Bankvolkswirten) Von Hans Bentzien und Katrin Härtel DOW JONES NEWSWIRES
FRANKFURT (Dow Jones)--Das Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands hat sich im Juli überraschend und überaus deutlich verbessert. Wie das Münchener ifo Institut für Wirtschaftsforschung am Freitag im Rahmen seines monatlichen Konjunkturtests mitteilte, stieg der Geschäftsklimaindex auf 106,2 Punkte, nachdem er im Vormonat bei 101,8 gelegen hatte. Das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer liegt damit auf dem höchsten Stand seit Juli 2007.
"Diese Zunahme ist der größte Sprung nach oben seit der Wiedervereinigung Deutschlands", sagte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Die Entwicklung stand in krassem Widerspruch zu den Erwartungen von Volkswirten, die einen Indexrückgang auf 101,5 Punkte prognostiziert hatten.
Wie erwartet beurteilten die Umfrageteilnehmer ihre aktuelle Geschäftssituation zum fünften Mal in Folge günstiger, wobei das Ausmaß des Anstiegs überraschte: Der Index zur Beurteilung der aktuellen Lage der rund 7.000 befragten Unternehmen legte im Juli auf 106,8 Punkte zu, im Vormonat hatte er bei 101,2 notiert. Ökonomen hatten mit einem Anstieg auf nur 101,9 gerechnet. Der Lage-Index erreichte damit das höchste Niveau seit Juni 2008.
Wirklich überraschend - und zwar auch im Hinblick auf die Tendenz - war die Entwicklung der Erwartungen der Unternehmen zur Geschäftsentwicklung in den kommenden sechs Monaten. Die Erwartungskomponente kletterte auf 105,5 von 102,5 im Vormonat, das war das höchste Niveau seit Oktober 1994 (105,6). Ökonomen einen kräftigen Indexrückgang auf 101,4 Zähler prognostiziert.
ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger meinte in Reaktion auf die Daten, die ifo-Prognose eines Wirtschaftswachstums von 2,1% im laufenden Jahr stelle wohl den unteren Rand des tatsächlich Vorstellbaren dar. Entwarnung könne dennoch nicht gegeben werde, weil weiter Risiken bestünden. "Wir können die Krise nicht abhaken, aber wir können tief durchatmen", sagte Abberger. Die größten Risiken sieht der ifo-Experte im Bankenbereich, in der bereits wieder nachlassenden Dynamik der Weltwirtschaft, in den von vielen Staaten eingeleiteten Konsolidierungsmaßnahmen sowie in den starken Wechselkursschwankungen.
Auch Alexander Krüger, Volkswirt beim Bankhaus Lampe, warnte vor übertriebenem Optimismus: "Trotz des guten ifo-Ergebnisses ist der Konjunkturhimmel nicht wolkenfrei. Wir gehen weiter davon aus, dass auf das dynamische Sommerhalbjahr ein schwächeres Winterhalbjahr folgen wird", sagte er. Hierfür sprächen der nachlassende Schub für die Exporte durch die im Ausland auslaufenden Konjunkturprogramme und ein geringerer Lageraufbau. Hinzu kämen die tendenziell belastenden Effekte der im Inland anstehenden Haushaltskonsolidierung und die Sparzwänge wichtiger Handelspartner.
Für Timo Klein von IHS Global Insight steht mit dem aktuellen ifo-Ausweis fest, dass das Wirtschaftswachstum nicht nur im zweiten Quartal stark gewesen ist, sondern auch im zweiten Halbjahr robust bleiben wird. Zwar bestünden weiterhin Risiken für die Erholung - wie etwa das Auslaufen fiskalischer Stimuli in Europa - doch hätten sich diese deutlich verringert. IHS Global Insight werde daher die Wachstumsprognosen für 2010 und 2011 (plus 2,0% und plus 1,7%) in August um mindestens je 0,2 Prozentpunkte anheben.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mahnt unter Verweis auf sinkende Frühindikatoren in den USA und China zur Vorsicht: "Auch in Deutschland wird das Wachstum früher oder später nachlassen. Allerdings dürfte sich die deutsche Wirtschaft noch viele Quartale besser entwickeln als der Rest des Euroraums", sagte er. Deutschland habe in den letzten Jahren gemessen an den Lohnstückkosten seine Wettbewerbsfähigkeit massiv gesteigert, das trage lange. Der Euroraum als Ganzes werde trotz starker Zahlen aus Deutschland weiter nur ein blutleeres Wirtschaftswachstum aufweisen.
Das ist auch der Tenor des Kommentars von UniCredit-Volkswirt Alexander Koch: Zwar gebe es für die Wachstumsprognose seines Hauses von 2,0% nun erhebliches Aufwärtsrisiko, doch sei die Verlangsamung des Wachstumstempos wohl nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben, sagte er. So habe der OECD-Frühindikator erst kürzlich wieder gezeigt, dass die Impulse aus dem Ausland an Schwung verlieren dürften.
-Von Hans Bentzien und Katrin Härtel, Dow Jones Newswires, +49 (0)69 29725 300, Hans.Bentzien@dowjones.com (unter Verwendung eines Beitrags von Beate Preuschoff) DJG/hab/kth
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July 23, 2010 05:45 ET (09:45 GMT)
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