Der Bankenstresstest in Europa ist nach Einschätzung von Ökonomen ein weiterer Schritt zu mehr Transparenz und damit zu mehr Vertrauen bei Banken und Bürgern. Der Test sei insgesamt eine "gelungene Maßnahme", auch wenn kein Extremst-Szenario getestet worden sei, sagte Ökonom Johannes Rudolph vom Bankhaus HSBC Trinkaus. Abgesehen von der Kritik an den Kriterien seien die Banken recht einheitlich getestet worden. Viele Banken hätten nun auch detailliert ihre Risiken bei Staatsanleihen offen gelegt. Dies schaffe mehr Transparenz. Schade sei allerdings, dass insbesondere deutsche Geldhäuser nicht alle Risiken bis ins Detail veröffentlicht hätten.
Aus Sicht der UniCredit ist die Veröffentlichung der Stresstest-Ergebnisse ein erster Schritt zu einer höheren Transparenz. Der Schritt sei aber nicht ausreichend, um eine deutliche Verbesserung des Vertrauens in das europäische Bankensystem zu erzielen. Dies sollte das Hauptziel des Tests gewesen sein. Die Marktteilnehmer und Politiker müssten noch mehr tun, um eine vollständige Normalisierung des Finanzsystems zu erreichen. Die Testergebnisse bestätigten, aber dass der Großteil des Bankensystems in der Eurozone gesund sei. Mit Blick auf die Stringenz und den Informationsgehalt blieben aber Fragen offen.
STRESSTEST 'SEHR HILFREICH'
Fraglich bleibt aus Sicht des Bankhauses HSBC Trinkaus, ob die Annahmen Tests aggressiv genug waren. Die Annahmen seien mit Blick auf die kurzfristigen Aussichten nicht zu optimistisch, da durch den Konjunktureinbruch in 2009 bei den Lagerbeständen und Investitionen bereits eine scharfe Anpassung stattgefunden habe. Untersucht werde in der Analyse allerdings nicht, wie sich eine über das Jahr 2011 anhaltende Schwächephase oder ein erneuter Konjunktureinbruch in den USA auf die Banken auswirke.
Auch aus Sicht von Goldman Sachs sind die Stresstests "sehr hilfreich". Sie lieferten eine Vielzahl neuer Daten über die Banken und hätten gezeigt, dass das System besser dastehe als von den meisten gedacht. Dies sollte den anhaltenden graduellen Heilungsprozess des europäischen Finanzsystems inklusive des Interbankenmarktes unterstützen. Während der Krise hatten sich die Banken untereinander kein Geld mehr geliehen, so dass der Geldmarkt austrocknete und die Europäische Zentralbank (EZB) die weitere Funktionsfähigkeit sicherstellen musste.
"In wie weit der Stresstest als Erfolg - also vertrauensbildend - oder Misserfolg - vertrauensreduzierend - zu werten ist, wird man in den nächsten Tagen an der Entwicklung der LIBOR-Sätze, der Nutzung der Einlagenfazilität der EZB sowie dem Verhalten der Banken bei der Inanspruchnahme der Wertpapierpensionsgeschäfte der EZB sehen können", heißt es bei der HSH Nordbank. Sollten sich die Verspannungen am Geldmarkt lockern, so wäre der Stresstest sicher als erfolgreich zu werten./jha/jsl
AXC0056 2010-07-26/10:56