Liebe Leserinnen und Leser!
Sicherlich haben Sie sich mit dem Ergebnis des Banken-Stresstests letzte Woche beschäftigt. Fast alle Banken schafften den Test des Komitees europäischer Bankenaufsichten, wie man etwa an dieser Aufstellung gut sehen kann.
Ein tolles Ergebnis, oder? Sieht man sich den Test näher an, dann wirkt er allerdings gar nicht so stressreich. Für die Eurozone wurde im Benchmark-Szenario ein BIP-Wachstum von +0,7 % für 2010 und +1,5 % für 2011 angenommen sowie eine Schrumpfung von -0,2 % für 2010 und -0,6 % für 2011 im Stresstest-Szenario. Für die gesamte EU beträgt das Stresstest-Szenario eine Stagnation der Wirtschaft 2010 sowie eine Schrumpfung um -0,4 % in 2011 statt der Erwartung von +1,0 % und +1,7 % Wachstum 2010 und 2011.
Wäre so eine Schrumpfung wirklich Stress? Wenn man sich vor Augen hält, dass die EU-Wirtschaft 2009 um -4,2 % und die Wirtschaft der Eurozone um -4,1 % einbrach (Tabelle Eurostat), so ist die angenommene Schrumpfung im Test-Szenario vollkommen lächerlich! In einem 'richtigen' Stresstest müsste man zumindest die 2009er Schrumpfung als Test-Wert ansetzen.
Ebenfalls völlig unangemessen ist das Stress-Szenario für den Aktienbesitz der Banken. Bei den Aktien im Handelsbestand der Banken (nicht betroffen sind z.B. börsennotierte Beteiligungen!) wurde angenommen, dass in der Krise -36 % Kursverlust anfallen.
Zur Erinnerung: Von Sommer 2008 bis zum Frühjahr 2009 hat sich der europäische Blue-Chip-Index Euro-Stoxx-50 im Wert halbiert. Diese Halbierung ging sehr schnell von statten, allerdings war die letzte Kurshalbierung davor auch nicht irgendwann vor Jahrzehnten, sondern vom Frühjahr 2000 bis zum Frühjahr 2003. Auch hier müsste man in einem 'richtigen Stresstest' zumindest von einer Kurshalbierung ausgehen und dürfte börsennotierte Beteiligungen nicht verschonen.
Seltsam waren auch die Annahmen bezüglich Staatsanleihen. So wurde für kurz laufende (3monatige) Schulden ein Renditeanstieg von 1,25 % p.a. unterstellt und für langfristige (10jährige) Schulden ein Anstieg um 0,75 % p.a.
Zur Erinnerung: Wir haben gerade erst miterleben müssen, wie bei einer im März neu emittierten 10jährigen griechischen Staatsanleihe mit 6,25 % Kupon die Verzinsung bis auf knapp 20 % p.a. gestiegen ist und aktuell (trotz EZB-Käufen) immer noch 10,41 % p.a. beträgt.
Die Renditen 10jähriger Bonds anderer 'angezählter Euro-Staaten' kletterten im April/Mai im Schnitt um etwa einen Prozentpunkt. Berücksichtigt man dann noch, dass wir aktuell ein historisch niedriges Zinsniveau haben (siehe Hinweis zur neu emittierten 32jährigen deutschen Bundesanleihe im 'Marktbericht'), ist das angenommene Krisen-Szenario ein recht freundliches.
Auffällig ist dabei, dass gerade spanische Banken nicht so gut abschnitten. Warum? Ist deren Eigenkapitalausstattung so schlecht?
Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Blick in die Beilage 3 auf Seite 55 der Szenario-Zusammenfassung notwendig. Dort sieht man, dass im Test-Szenario für spanische Geschäftsimmobilien ein Wertverlust von -35 % in 2010 und von -30 % in 2011 angenommen wurde sowie ein Verlust von -8,8 % und -15,2 % für Privatimmobilien. Das sind schon deftige Annahmen!
In einigen Ländern, wie Deutschland, Holland oder Grossbritannien, ging man von -10 % Wertverlust für alle Immobilien in 2010 und auch in 2011 aus. Klingt angemessen.
In Österreich gingen die Aufsichtsbehörden im 'Stresstest' von einem Wertanstieg (!) der Immobilien von +2 % in 2010 und +2,7 % in 2011 aus. Das gibt den positiven Testergebnissen der österreichischen Banken nicht besonders viel Glaubwürdigkeit. Hier finden Sie das Testergebnis jeder einzelnen Bank im Detail.
Insgesamt lässt sich sagen, dass dieser Stresstest ein sehr wohlwollender Hinweis der Aufsichtsbehörden war, die Eigenkapitalquoten zu verbessern. Die 'sehr freundlichen Krisen-Szenarien' haben jedenfalls dafür gesorgt, dass selbst positive Ergebnisse den Banken nur ein geringes Mass an Bonität gebracht haben. Ziel des Tests war es, Vertrauen ins Bankensystem zu schaffen. 84 der 91 Banken haben den Test bestanden. Da der Test aber sehr 'leicht' zu bestehen war, ist das Ziel aber nur bedingt erreicht worden.
Erfolgreiche Börsengeschäfte wünscht Ihnen
Ihr Team von Der Spekulant
Dieser Artikel stammt aus dem Börsenbrief Der Spekulant vom 29. Juli 2010.
Sicherlich haben Sie sich mit dem Ergebnis des Banken-Stresstests letzte Woche beschäftigt. Fast alle Banken schafften den Test des Komitees europäischer Bankenaufsichten, wie man etwa an dieser Aufstellung gut sehen kann.
Ein tolles Ergebnis, oder? Sieht man sich den Test näher an, dann wirkt er allerdings gar nicht so stressreich. Für die Eurozone wurde im Benchmark-Szenario ein BIP-Wachstum von +0,7 % für 2010 und +1,5 % für 2011 angenommen sowie eine Schrumpfung von -0,2 % für 2010 und -0,6 % für 2011 im Stresstest-Szenario. Für die gesamte EU beträgt das Stresstest-Szenario eine Stagnation der Wirtschaft 2010 sowie eine Schrumpfung um -0,4 % in 2011 statt der Erwartung von +1,0 % und +1,7 % Wachstum 2010 und 2011.
Wäre so eine Schrumpfung wirklich Stress? Wenn man sich vor Augen hält, dass die EU-Wirtschaft 2009 um -4,2 % und die Wirtschaft der Eurozone um -4,1 % einbrach (Tabelle Eurostat), so ist die angenommene Schrumpfung im Test-Szenario vollkommen lächerlich! In einem 'richtigen' Stresstest müsste man zumindest die 2009er Schrumpfung als Test-Wert ansetzen.
Ebenfalls völlig unangemessen ist das Stress-Szenario für den Aktienbesitz der Banken. Bei den Aktien im Handelsbestand der Banken (nicht betroffen sind z.B. börsennotierte Beteiligungen!) wurde angenommen, dass in der Krise -36 % Kursverlust anfallen.
Zur Erinnerung: Von Sommer 2008 bis zum Frühjahr 2009 hat sich der europäische Blue-Chip-Index Euro-Stoxx-50 im Wert halbiert. Diese Halbierung ging sehr schnell von statten, allerdings war die letzte Kurshalbierung davor auch nicht irgendwann vor Jahrzehnten, sondern vom Frühjahr 2000 bis zum Frühjahr 2003. Auch hier müsste man in einem 'richtigen Stresstest' zumindest von einer Kurshalbierung ausgehen und dürfte börsennotierte Beteiligungen nicht verschonen.
Seltsam waren auch die Annahmen bezüglich Staatsanleihen. So wurde für kurz laufende (3monatige) Schulden ein Renditeanstieg von 1,25 % p.a. unterstellt und für langfristige (10jährige) Schulden ein Anstieg um 0,75 % p.a.
Zur Erinnerung: Wir haben gerade erst miterleben müssen, wie bei einer im März neu emittierten 10jährigen griechischen Staatsanleihe mit 6,25 % Kupon die Verzinsung bis auf knapp 20 % p.a. gestiegen ist und aktuell (trotz EZB-Käufen) immer noch 10,41 % p.a. beträgt.
Die Renditen 10jähriger Bonds anderer 'angezählter Euro-Staaten' kletterten im April/Mai im Schnitt um etwa einen Prozentpunkt. Berücksichtigt man dann noch, dass wir aktuell ein historisch niedriges Zinsniveau haben (siehe Hinweis zur neu emittierten 32jährigen deutschen Bundesanleihe im 'Marktbericht'), ist das angenommene Krisen-Szenario ein recht freundliches.
Auffällig ist dabei, dass gerade spanische Banken nicht so gut abschnitten. Warum? Ist deren Eigenkapitalausstattung so schlecht?
Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Blick in die Beilage 3 auf Seite 55 der Szenario-Zusammenfassung notwendig. Dort sieht man, dass im Test-Szenario für spanische Geschäftsimmobilien ein Wertverlust von -35 % in 2010 und von -30 % in 2011 angenommen wurde sowie ein Verlust von -8,8 % und -15,2 % für Privatimmobilien. Das sind schon deftige Annahmen!
In einigen Ländern, wie Deutschland, Holland oder Grossbritannien, ging man von -10 % Wertverlust für alle Immobilien in 2010 und auch in 2011 aus. Klingt angemessen.
In Österreich gingen die Aufsichtsbehörden im 'Stresstest' von einem Wertanstieg (!) der Immobilien von +2 % in 2010 und +2,7 % in 2011 aus. Das gibt den positiven Testergebnissen der österreichischen Banken nicht besonders viel Glaubwürdigkeit. Hier finden Sie das Testergebnis jeder einzelnen Bank im Detail.
Insgesamt lässt sich sagen, dass dieser Stresstest ein sehr wohlwollender Hinweis der Aufsichtsbehörden war, die Eigenkapitalquoten zu verbessern. Die 'sehr freundlichen Krisen-Szenarien' haben jedenfalls dafür gesorgt, dass selbst positive Ergebnisse den Banken nur ein geringes Mass an Bonität gebracht haben. Ziel des Tests war es, Vertrauen ins Bankensystem zu schaffen. 84 der 91 Banken haben den Test bestanden. Da der Test aber sehr 'leicht' zu bestehen war, ist das Ziel aber nur bedingt erreicht worden.
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Ihr Team von Der Spekulant
Dieser Artikel stammt aus dem Börsenbrief Der Spekulant vom 29. Juli 2010.
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