Anfang August wurde zu einem wahren Blutbad für die Aktienmärkte. Einen so starken prozentualen Wochen-Einbruch hatte es zuletzt im November 2008 gegeben, nachdem Lehman Brothers, die viertgrößte Investmentbank Amerikas, Pleite ging. Selbst etwas besser als erwartete Arbeitsmarktdaten in den USA vermochten Anleger am Freitag kaum zu beruhigen. Die Marktkapitalisierung der Weltbörsen schrumpfte um rund 3,5 Billionen Dollar; davon in den USA allein über eine Billion Dollar! Einen so großen Wochenverlust hat es in der Börsengeschichte selten gegeben. Ginge es im gleichen Tempo weiter, würden alle Aktienmärkte im Oktober wertlos sein, was unmöglich ist. Die Panikverkäufe beruhten teilweise auf der Enttäuschung über den schwachen Kompromiss, den der US-Kongress in der Erhöhung der staatlichen Verschuldungsgrenze nach mehrmonatigem Taktieren in letzter Minute erzielte. Zu viele Fragen bleiben offen.
Im Wochenverlauf konnte sich lediglich das Gold im Plus halten (grüner Pfeil), während die deutsche Börse gemessen am DAX nicht nur den größten Wochenverlust mit einem Minus von knapp 13% erlitt (roter Pfeil), sondern auch den Verlierer seit Jahresbeginn (roter Pfeil) darstellt. Silber bleibt der Jahressieger (grüner Pfeil), obwohl es im Wochenverlauf ebenfalls unter Verkaufsdruck geriet. Beim Öl fällt die deutlich unterschiedliche Preis-Entwicklung zwischen Texas-Öl (WTI) und Nordsee-Öl (Brent) auf. Seit Jahresbeginn divergieren die Preise um mehr als 20%. Während Texas-Öl mehr den inneramerikanischen Markt widerspiegelt und hier seit Jahresbeginn rund 5% verloren hat, ist Nordsee-Öl, das den Weltmarkt darstellt, über 15% gestiegen. Schwächt sich das Weltwirtschaftswachstum in den nächsten Monaten weiterhin ab, so werden beide Öl-Notierungen fallen.
Die Rating-Agentur Standard & Poor's reduzierte die Kreditwürdigkeit der USA von AAA auf AA+ am Freitag nach Börsenschluss. Seit 94 Jahren wiesen amerikanische Staatstitel die höchste Bonität auf und waren bisher der 'goldene Standard'. In meinem Blog vom 30. Juli kritisierte ich diese hohe Einstufung aufgrund der enormen Staatsverschuldung und mangelnden politischen Einigung bei der Verschuldungshöhe. Die Herabstufung ist richtig, auch wenn sie dem amerikanischen Staat und seinen Bürgern teurer zu stehen kommen wird. Anfänglich wird sich das Zinsniveau zwar kaum erhöhen, jedoch langfristig stellt es eine echte Belastung dar. Am Ende des Zweiten Weltkrieges hätte keiner geglaubt, daß Deutschland jemals eine höhere Bonität haben würde als Amerika. Aber 66 Jahre später ist es Realität!
Mehrfach hatte ich sowohl auf der Hotline als auch im Fernsehen vor Problemen im August und September gewarnt. Allerdings ging ich nicht von einem so starken Verkaufsdruck wie jetzt im August aus. Die politische Unentschlossenheit hatte ich unterschätzt. Der Dow Jones Index hat seine grüne Unterstützungslinie Anfang August unterschritten (roter Pfeil). Seit Beginn dieser Hausse im März 2009 (blauer Pfeil) ist es bisher zweimal zu einer Korrektur von über 10% gekommen. Im vergangenen Jahr begann die Korrektur Ende April und dauerte bis Anfang Juli (schwarzer Pfeil), wobei das Minus 13% erreichte. In diesem Jahr wurde der bisherige Jahreshöchststand ebenfalls Ende April erreicht. Seitdem (lila Pfeil) ist es zu einem Verlust von knapp 11% gekommen. Auch wenn der Verkaufsdruck noch nicht beendet ist, rechne ich nicht mit dem Beginn einer Baisse, was einen Rückgang unter die 10.250 Marke (rote Linie) voraussetzen würde. Das Risiko hierfür liegt bei maximal 35%. Um die Schaubilder zu vergrößern, einmal diese kurz anklicken. und dann auf 'Orginalgröße' klicken
Der DAX und Dow Jones weisen seit Beginn dieser Hausse eine relativ ähnlich gute Entwicklung auf (schwarzer Pfeil). Nach dem jüngsten Verkaufsdruck schrumpfte das Plus beim Dow Jones auf 75% seit März 2009; beim DAX liegt es jetzt bei +70%. Der Freiverkehrsmarkt (NASDAQ) hat sich noch besser entwickelt und weist einen Anstieg von 100% auf (blauer Pfeil). Der japanische Nikkei schneidet bisher deutlich schwächer ab und liegt bei einem Plus von 30% (roter Pfeil). Der Dow Jones und DAX haben ihre Höchststände in dieser Hausse noch nicht voll erreicht. Der momentane Verkaufsdruck offeriert eine Einstiegschance, was allerdings auch Mut und Nerven verlangt.
Der Weltindex, der fast alle Börsenwerte der Industrienationen und 'Schwellenländer' umfasst, war von September 2008 bis März 2009 um 60% gefallen (schwarzer Pfeil). Dies war der größte Rückgang in über 70 Jahren! Seitdem kam es zu einer Erholung von 107% bis Anfang Mai diesen Jahres (grüner Pfeil). Die Korrektur im vergangenen Jahr von Mitte April bis Anfang Juli betrug 16% (blauer Pfeil). Anfang Mai diesen Jahres (grauer Pfeil) begann die zweite Korrektur dieser globalen Hausse und weist bisher ein Minus von 14% auf (hellblauer Pfeil). Käme es zu einer globalen Baisse, so könnte dieser Index auf das Niveau vom Juli vergangenen Jahres (gelbe Linie) zurückfallen. Dies würde ein Minus von 25% bedeuten. Ein solche negative Entwicklung halte ich jedoch für unwahrscheinlich. Die mehrheitlich guten Unternehmensgewinne sind keine Basis für eine Baisse. Korrektur ja, Baisse nein!
Im Gold-Sektor ist die Aktie von Freeport-McMoRan (FCX) seit Jahresbeginn (roter Kreis) um 20% gefallen (blauer Pfeil), ohne jedoch den Aufwärtstrend (grüne Linie) zu unterschreiten. Die Dividendenrendite von über 4% und gute Gewinnaussichten begründen meine Kaufempfehlung.
Die jüngsten Arbeitsmarktdaten für Juli waren allgemein etwas besser als erwartet. Allerdings reicht der monatliche Anstieg von 117.000 neuen Arbeitsplätzen nicht aus, um die Arbeitslosenrate nachhaltig zu reduzieren. Hierzu wären rund 250.000 neue Arbeitsplätze pro Monat notwendig, was auf Sicht kaum realistisch ist. Dazu wächst die amerikanische Wirtschaft momentan nicht stark genug.
Ein Vergleich mit früheren Erholungsphasen von 1954 bis 2000 ( blaue Linie und blauer Pfeil) zeigt, dass neue Arbeitsplätze diesmal (rote Linie und roter Pfeil) deutlich unter der damaligen Entwicklung liegen. Lediglich bei einem Vergleich mit der Erholung von 2001 bis 2006 (hellgrüner Pfeil nebst Linie) schneidet die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt etwas besser ab.Seit dem Ende der Rezession (gelber Pfeil) vor über zwei Jahren ist es bisher nur geringfügig zu Netto-Einstellungen gekommen. Die prozentuale Null-Linie ist durch den schwarzen Pfeil markiert. Das Weiße Haus kann mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im November nächsten Jahres mit der schleppenden Arbeitsmarktsituation nicht zufrieden sein.
Weitere Einschätzungen und Empfehlungen auf der Hotline. Der nächste Blog erscheint am Montag, den 15. August.
© 2011 Heiko Thieme