EMFIS.COM - Rom 13.11.2011 (www.emfis.de) Der heftige Kursrutsch im August steckt den Börsen immer noch in den Knochen. Im Nachhinein denkt man leicht, dass daran allein die Euro-Schuldenmisere schuld gewesen sei. Der eigentliche Anlass war aber eigentlich ein ganz anderer. Das beherrschende Thema unmittelbar vor dem Einbruch waren nicht etwa die Euroland-Probleme, sondern die Anhebung der US-Schuldenobergrenze.
Kursrutsch wegen US-Verschuldung
Sie erinnern sich: Die Verschuldung der Vereinigten Staaten stieg auch 2011 massiv an. Im Laufe des Sommers wurde absehbar, dass die größte Wirtschaftsnation der Welt am 2. August de facto zahlungsunfähig wäre, wenn es der Regierung nicht gelingen würde, die Zustimmung der Opposition für eine Anhebung der Schuldenobergrenze auf über 14,3 Billionen Dollar zu erhalten. Zwischenzeitlich erklärte außerdem die Ratingagentur Standard & Poor's, die Verbindlichkeiten der USA vermutlich selbst dann abzustufen, wenn eine politische Einigung erzielt werden würde. Demokraten und Republiker einigen sich am 1. August buchstäblich in letzter Minute, bevor das Land tatsächlich seine laufenden Ausgaben nicht mehr hätte begleichen können.
Besonders bemerkenswert war allerdings, dass die Börsen die drohende Insolvenz der USA den ganzen Juli über erstaunlich gut wegsteckten. Der Dow Jones Index zeigte sich in diesem Monat unterm Strich sogar erholt, und blieb durchgehend über dem Niveau von 12.000 Punkten. Der echte – und sehr heftige – Einbruch ereignete sich erst im August – und damit genau nach der Anhebung der Schuldenobergrenze, mit dem die Zahlungsunfähigkeit eigentlich abgewandt war, und das Land wieder mehrere Jahre Zeit für die Lösung seiner Probleme gewonnen hatte.
Der Markt reagiert auf sich selbst
Der Kursrutsch im August ist eines von vielen lehrreichen Beispielen dafür, dass die Märkte oft gerade dann einbrechen, wenn ein Problem – vermeintlich – aus der Welt geschafft wurde. Zwar wurde im Verlauf der Krise von vielen Seiten erklärt, was denn genau nötig sei, um die Märkte zu beruhigen; was die Politik zu tun und zu lassen hätte, und wo die Lösungsansätze liegen wurden, um die Börsen zu stützen. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass es sich dabei nur um Aussagen von vermeintlichen Experten, Journalisten, Bankensprechern usw. handelte. Es sind auch in solchen Situationen lediglich die Stimmen von Kommentatoren, die ihre Meinung kundtun. Es ist nicht der Markt selbst, der zu uns spricht – wie könnte er das auch?
Der Markt ist niemals deckungsgleich mit dem Konzert der Stimmen, die uns den Markt erklären wollen. Vielmehr ist der Markt die Summe der Investoren, die sich größtenteils im Stillen darum bemühen, für sich und ihre Anleger Gewinne zu erzielen und Verluste zu vermeiden. Die Marktteilnehmer müssen nicht allein in Rechnung stellen, was in bestimmten Situationen vielleicht logisch oder folgerichtig wäre. In viel höherem Maße müssen sie auch abschätzen, welche Folgen sich aus den Reaktionen aller anderen Marktteilnehmer ergeben werden.
Verunsicherung führt zum Rückzug
Im Fall der US-Schuldenkrise war äußerst schnell klar, dass die vorläufige Lösung für den Markt weniger befriedigend war, als zunächst erhofft wurde. Die übrigen Marktteilnehmer zogen daraus ihre Schlüsse, und zogen sich ihrerseits aus ihren Positionen zurück. Mit "Panik" hatte dies wenig zu tun, sondern vielmehr mit erlerntem Verhalten. Jeder einzelne Marktteilnehmer bemüht sich, auf bereits geschehene oder auch für die Zukunft erwartete Marktentwicklungen zu reagieren. Dadurch wird die ursprüngliche Marktreaktion zwar oft noch um ein Vielfaches verstärkt, und die Marktteilnehmer handeln außerdem häufig entgegen ihrer eigentlichen Überzeugungen. Nichtsdestotrotz: Der Markt hat immer Recht.
Berlusconis Rücktritt löst die Probleme nicht
Auf das – sehr bedrohliche – Szenario der Italien-Krise übertragen, bedeutet dies nicht weniger, als dass die Gefahr noch längst nicht gebannt ist – nur weil mit Silvio Berlusconi inzwischen der oberste Repräsentant des politischen Systems medienwirksam aus dem Amt gedrängt wurde. Zwar sind die Renditen auf italienische Anleihen inzwischen wieder merklich zurückgegangen, aber wir wissen nicht genau, wie stark daran die EZB mit ihren Stützungskäufen beteiligt war. Zwar haben Senat und Abgeordnetenkammer dem neuen Reformpaket zugestimmt, aber wir wissen angesichts der politischen Verhältnisse nicht, ob diese Maßnahmen dann auch wirkungsvoll umgesetzt werden können.
Und es sind auch nicht nur die konkreten Gegenmaßnahmen von EU, EZB und italienischer Regierung, die die weitere Entwicklung bestimmen werden. Der entscheidendere Faktor ist, ob durch all diese Maßnahmen das Grund-Vertrauen des Marktes wieder zurückgewonnen werden kann, das mittlerweile massiv angeschlagen ist. Allein die Tatsache, dass es mit Italien überhaupt so weit kommen konnte, ist für jeden potentiellen Käufer italienischer Anleihen bereits extrem bedenklich.
Man kann Berlusconi mögen oder nicht mögen – und in der Regel mag man ihn eher nicht. Es trifft aber nicht zu, dass er allein durch sein Unvermögen das Land heruntergewirtschaftet hätte, wie dies jetzt gern behauptet wird. Zwar ist Italiens Staatsverschuldung mit 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts immer noch immens hoch. Allerdings konnte dieser Anteil in den vergangenen Jahren trotz Finanzkrise stabilisiert werden, und war zuletzt sogar leicht rückläufig. Schon unter Berlusconi wurden Staatsgehälter gekürzt und mehrere Steuerhöhungen vorgenommen, mit denen das Defizit eingedämmt werden konnte. Seine jüngste Weigerung gegenüber der EU, Programme zur Wachstumsförderung aufzulegen, demonstrierte ebenfalls seinen Sparwillen. Alles in allem lag in Berlusconis Italien zwar noch vieles im Argen. In Punkto Haushaltssanierung könnte sich aber auch die deutsche Bundesregierung, die sich nach außen hin so gern als grundsolide hinstellt, durchaus noch eine Scheibe abschneiden.
Schwere Vertrauenskrise
Die Italien-Schuldenkrise stellt eine gefährliche Eskalation der Euro-Schuldenkrise dar. Sie ist aber nicht von Italien allein zu verantworten. Der Grund dafür ist vielmehr, dass generell das Vertrauensverhältnis zwischen den Märkten und den Staaten als Schuldern inzwischen erheblich gestört ist. Und es ist außerordentlich fraglich, ob es überhaupt politische Maßnahmen gibt, mit denen dieses Verhältnis schnell genug gekittet werden kann, um ein Desaster zu vermeiden.
Dabei haben die Märkte ihre eigene Logik, und mögen deshalb auch zuletzt oft übertrieben und irrational reagiert haben. Das Problem der Politik ist aber, dass sie es weiterhin als selbstverständlich hinnimmt, dass der Markt überall und automatisch die immer mehr aus dem Ruder laufende Staatsverschuldung auffängt – ganz so, als bestünde ein Rechtsanspruch darauf, dass private Investoren auf eigenes Risiko alle Defizite tragen, die die Staaten ihnen aufbürden. Sobald diese Investoren aber – aus welchen Gründen auch immer – in einen Käuferstreik treten, werden sie umgehend als gierige Spekulanten und Zocker gegeiselt, die man gar nicht hart genug gängeln und abstrafen kann.
Würden Sie selbst unter diesen Umständen auf eigene Rechnung noch italienische Staatsanleihen kaufen?
Eben.
Kursrutsch wegen US-Verschuldung
Sie erinnern sich: Die Verschuldung der Vereinigten Staaten stieg auch 2011 massiv an. Im Laufe des Sommers wurde absehbar, dass die größte Wirtschaftsnation der Welt am 2. August de facto zahlungsunfähig wäre, wenn es der Regierung nicht gelingen würde, die Zustimmung der Opposition für eine Anhebung der Schuldenobergrenze auf über 14,3 Billionen Dollar zu erhalten. Zwischenzeitlich erklärte außerdem die Ratingagentur Standard & Poor's, die Verbindlichkeiten der USA vermutlich selbst dann abzustufen, wenn eine politische Einigung erzielt werden würde. Demokraten und Republiker einigen sich am 1. August buchstäblich in letzter Minute, bevor das Land tatsächlich seine laufenden Ausgaben nicht mehr hätte begleichen können.
Besonders bemerkenswert war allerdings, dass die Börsen die drohende Insolvenz der USA den ganzen Juli über erstaunlich gut wegsteckten. Der Dow Jones Index zeigte sich in diesem Monat unterm Strich sogar erholt, und blieb durchgehend über dem Niveau von 12.000 Punkten. Der echte – und sehr heftige – Einbruch ereignete sich erst im August – und damit genau nach der Anhebung der Schuldenobergrenze, mit dem die Zahlungsunfähigkeit eigentlich abgewandt war, und das Land wieder mehrere Jahre Zeit für die Lösung seiner Probleme gewonnen hatte.
Der Markt reagiert auf sich selbst
Der Kursrutsch im August ist eines von vielen lehrreichen Beispielen dafür, dass die Märkte oft gerade dann einbrechen, wenn ein Problem – vermeintlich – aus der Welt geschafft wurde. Zwar wurde im Verlauf der Krise von vielen Seiten erklärt, was denn genau nötig sei, um die Märkte zu beruhigen; was die Politik zu tun und zu lassen hätte, und wo die Lösungsansätze liegen wurden, um die Börsen zu stützen. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass es sich dabei nur um Aussagen von vermeintlichen Experten, Journalisten, Bankensprechern usw. handelte. Es sind auch in solchen Situationen lediglich die Stimmen von Kommentatoren, die ihre Meinung kundtun. Es ist nicht der Markt selbst, der zu uns spricht – wie könnte er das auch?
Der Markt ist niemals deckungsgleich mit dem Konzert der Stimmen, die uns den Markt erklären wollen. Vielmehr ist der Markt die Summe der Investoren, die sich größtenteils im Stillen darum bemühen, für sich und ihre Anleger Gewinne zu erzielen und Verluste zu vermeiden. Die Marktteilnehmer müssen nicht allein in Rechnung stellen, was in bestimmten Situationen vielleicht logisch oder folgerichtig wäre. In viel höherem Maße müssen sie auch abschätzen, welche Folgen sich aus den Reaktionen aller anderen Marktteilnehmer ergeben werden.
Verunsicherung führt zum Rückzug
Im Fall der US-Schuldenkrise war äußerst schnell klar, dass die vorläufige Lösung für den Markt weniger befriedigend war, als zunächst erhofft wurde. Die übrigen Marktteilnehmer zogen daraus ihre Schlüsse, und zogen sich ihrerseits aus ihren Positionen zurück. Mit "Panik" hatte dies wenig zu tun, sondern vielmehr mit erlerntem Verhalten. Jeder einzelne Marktteilnehmer bemüht sich, auf bereits geschehene oder auch für die Zukunft erwartete Marktentwicklungen zu reagieren. Dadurch wird die ursprüngliche Marktreaktion zwar oft noch um ein Vielfaches verstärkt, und die Marktteilnehmer handeln außerdem häufig entgegen ihrer eigentlichen Überzeugungen. Nichtsdestotrotz: Der Markt hat immer Recht.
Berlusconis Rücktritt löst die Probleme nicht
Auf das – sehr bedrohliche – Szenario der Italien-Krise übertragen, bedeutet dies nicht weniger, als dass die Gefahr noch längst nicht gebannt ist – nur weil mit Silvio Berlusconi inzwischen der oberste Repräsentant des politischen Systems medienwirksam aus dem Amt gedrängt wurde. Zwar sind die Renditen auf italienische Anleihen inzwischen wieder merklich zurückgegangen, aber wir wissen nicht genau, wie stark daran die EZB mit ihren Stützungskäufen beteiligt war. Zwar haben Senat und Abgeordnetenkammer dem neuen Reformpaket zugestimmt, aber wir wissen angesichts der politischen Verhältnisse nicht, ob diese Maßnahmen dann auch wirkungsvoll umgesetzt werden können.
Und es sind auch nicht nur die konkreten Gegenmaßnahmen von EU, EZB und italienischer Regierung, die die weitere Entwicklung bestimmen werden. Der entscheidendere Faktor ist, ob durch all diese Maßnahmen das Grund-Vertrauen des Marktes wieder zurückgewonnen werden kann, das mittlerweile massiv angeschlagen ist. Allein die Tatsache, dass es mit Italien überhaupt so weit kommen konnte, ist für jeden potentiellen Käufer italienischer Anleihen bereits extrem bedenklich.
Man kann Berlusconi mögen oder nicht mögen – und in der Regel mag man ihn eher nicht. Es trifft aber nicht zu, dass er allein durch sein Unvermögen das Land heruntergewirtschaftet hätte, wie dies jetzt gern behauptet wird. Zwar ist Italiens Staatsverschuldung mit 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts immer noch immens hoch. Allerdings konnte dieser Anteil in den vergangenen Jahren trotz Finanzkrise stabilisiert werden, und war zuletzt sogar leicht rückläufig. Schon unter Berlusconi wurden Staatsgehälter gekürzt und mehrere Steuerhöhungen vorgenommen, mit denen das Defizit eingedämmt werden konnte. Seine jüngste Weigerung gegenüber der EU, Programme zur Wachstumsförderung aufzulegen, demonstrierte ebenfalls seinen Sparwillen. Alles in allem lag in Berlusconis Italien zwar noch vieles im Argen. In Punkto Haushaltssanierung könnte sich aber auch die deutsche Bundesregierung, die sich nach außen hin so gern als grundsolide hinstellt, durchaus noch eine Scheibe abschneiden.
Schwere Vertrauenskrise
Die Italien-Schuldenkrise stellt eine gefährliche Eskalation der Euro-Schuldenkrise dar. Sie ist aber nicht von Italien allein zu verantworten. Der Grund dafür ist vielmehr, dass generell das Vertrauensverhältnis zwischen den Märkten und den Staaten als Schuldern inzwischen erheblich gestört ist. Und es ist außerordentlich fraglich, ob es überhaupt politische Maßnahmen gibt, mit denen dieses Verhältnis schnell genug gekittet werden kann, um ein Desaster zu vermeiden.
Dabei haben die Märkte ihre eigene Logik, und mögen deshalb auch zuletzt oft übertrieben und irrational reagiert haben. Das Problem der Politik ist aber, dass sie es weiterhin als selbstverständlich hinnimmt, dass der Markt überall und automatisch die immer mehr aus dem Ruder laufende Staatsverschuldung auffängt – ganz so, als bestünde ein Rechtsanspruch darauf, dass private Investoren auf eigenes Risiko alle Defizite tragen, die die Staaten ihnen aufbürden. Sobald diese Investoren aber – aus welchen Gründen auch immer – in einen Käuferstreik treten, werden sie umgehend als gierige Spekulanten und Zocker gegeiselt, die man gar nicht hart genug gängeln und abstrafen kann.
Würden Sie selbst unter diesen Umständen auf eigene Rechnung noch italienische Staatsanleihen kaufen?
Eben.
© 2011 EMFIS.COM