Welches Potential haben DAX und Dow bis zum Jahresende und was sind die Risiken? Diese und andere Fragen diskutierte ich am vergangenen Dienstag mit Melanie Koesser vom DAF. Zum Interview einfach die nächste Zeile anklicken.
http://www.daf.fm/video/heiko-thieme-dax-mit-potential-bis-7000-50149398-DE0008469008.html
Vergangene Woche kam es beim S&P 500 Index zum größten Rückgang in zwei Monaten. Der DAX bleibt mit einem Minus von 16% (roter Pfeil) weiterhin das Jahres-Schlusslicht. Auch der Edelmetallsektor offerierte keinen Schutz; der Silberpreis fiel im Wochenverlauf über 6% (roter Pfeil), obwohl es am Freitag der Tagessieger war (grüner Pfeil). Der Jahresgewinn ist auf knapp 5% zusammengeschmolzen; Ende April führte Silber mit einem Plus von fast 60% das Feld an. Volatilität statt Kontinuität bestimmt den Anlage-Alltag. Gold ist der augenblickliche Jahressieger, obwohl auch hier der Preis seit seinem Rekordhoch Anfang September über 10% gefallen ist. Ich rate weiterhin zur Zurückhaltung. Der Ölpreis kam ebenfalls unter Druck, was meine Warnungen bestätigte. Mit weiterer Schwäche ist zu rechnen, da sich das Weltwirtschaftswachstum abkühlt. Eine allgemeine Rezession sehe ich jedoch nicht, auch wenn dies inzwischen von vielen Experten erwartet wird. Das Risiko hierzu schätze ich auf maximal 30% ein.
Investoren sind frustriert und haben kaum noch Hoffnung, dass dringend notwendige politische Entscheidungen in absehbarer Zeit in Europa und USA getroffen werden. Griechenland und Italien bleiben Sorgenkinder; konkrete Sanierungsprogramme fehlen weiterhin. Frankreich kämpft um seine Bonität. Der Führungswechsel in Spanien brachte keinen Beifall auf dem Börsenparkett. Die Europäische Zentralbank (EZB) mag zwar die einzige realistische Quelle neuen Geldes sein, jedoch wehrt sich Deutschland dagegen. Der Markt fordert schnelle Lösungen, aber Politiker arbeiten im Schneckentempo. Das kostet viel Geld; inzwischen sind es dreistellige Milliarden-Beträge! Vor einem Jahr wäre man wahrscheinlich noch mit Euro 50 Milliarden ausgekommen.
In Amerika konnte sich das Super-Komitee des Kongresses nicht einmal auf ein Kürzungspaket von $ 1,2 Billionen in den kommenden zehn Jahren einigen, um lediglich die erwarteten Mehrausgaben etwas reduzieren! Diese politische Patt-Situation wird jetzt kaum vor den Wahlen im November nächsten Jahres gelöst werden und damit die Wirtschaft sowie Aktien- und Rentenmärkte belasten. Der Traum von neuen Höchstständen an den Börsen im nächsten Jahr ist somit ausgetraeumt. Allerdings ist eine Verbesserung vom derzeitigen Niveau möglich, da die Bewertungsbasis besonders in Deutschland historisch niedrig ist. Eine, wenn auch etwas geringer als urspruenglich erwartete, Jahresendrallye kann es an den Boersen dennoch geben. Der DAX kann dabei die 6.000-Marke erreichen und der Dow Jones das 12.000-Niveau. Im April 2012, wenn die staerkste 6-Monatsphase fuer US-Aktien endet, kann der Dow Jones sogar die 13.000 Marke unter gewissen Umstaenden noch sehen. Allerdings koennen Politiker auch diese Prognosen gefaehrden. Warren Buffet, der legendaere, inzwischen 81-jaehrige Investor, nannte vor einigen Jahren Finanz-Derivate die modernen Massenvernichtungswaffen. Dies wurde vor drei Jahren durch die Finanzkrise bestaetigt, als die Welt kurz vor einem allgemeinen Konkurs stand. Heute geht von Politikern die groesste Gefahr aus! Unentschlossenheit und Sturheit bringen die Demokratie an ihre Grenzen.
Innerhalb von rund drei Monaten - vom 7. Juli bis 12. September (roter Pfeil) - verlor der DAX fast ein Drittel seines Wertes und erfüllte damit die Definition einer Baisse, was einen Rückgang von mindestens 20% voraussetzt. Seitdem ist der DAX innerhalb von knapp sieben Wochen um 25% gestiegen (grüner Pfeil) und erfüllt damit die Definition einer neuen Hausse, was ein Plus von mindestens 20% voraussetzt. Inzwischen hat der DAX bis heute wiederum fast 12% abgegeben, was eine Korrektur darstellt. Dieses Jahr zeichnet sich durch eine extreme Volatilität aus. Die 6.000-Marke (blaue Linie) kann bis Jahresende nur wieder erreicht werden, wenn es zu einer positiven politischen Trendwende kommt, was kaum realistisch ist. Die 7.000-Marke ist bis Ende April, wenn die normalerweise stärkste Börsenphase im Jahresverlauf endet, kaum noch ein realistisches Ziel. Die globale Marktkapitalisierung ist seit Ende Oktober über vier Billionen Dollar gefallen. Politiker stellen somit eine Art Börsenvernichtungswaffe dar.
Am Donnerstag sind die US-Börsen wegen des Erntedank-Fests geschlossen; am Freitag beginnt dann für den Einzelhandel das wichtige Weihnachtsgeschäft.
Weitere Analysen und Empfehlungen auf der Hotline. Der nächste Blog erscheint am Montag, den 28. November.
© 2011 Heiko Thieme