Nicht erst seit der Euro-Krise, bereits seit dem Platzen der US-Immobilienblase und der Lehman-Pleite im Jahr 2008, wird von der Politik eine Steuer auf Börsengeschäfte gefordert, von der sich die EU zusätzliche Einnahmen erhofft. Es wird argumentiert, mit der Steuer könne - in den Ländern in denen es eine solche Steuer noch nicht gibt - eine Beteiligung der Finanzwirtschaft an der Stabilisierung der Märkte erreicht werden. Die Steuer soll darüber hinaus das Volumen spekulativer Geschäfte auf europäischer Ebene eindämmen. Vor allem mit Fremdmittel finanzierte Spekulation gilt für manche Politiker als eine der Ursachen für die Verwerfungen an den Finanzmärkten den letzten Jahren. Kritiker werfen jedoch zu Recht ein, dass eine solche Steuer allenfalls dazu beiträgt, spekulative Geschäfte und Kapitalströme an Finanzmärkte ausserhalb der EU umzulenken und so zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für die EU würde.
Vorschlag der EU-Kommission: 0,1 % Steuer ab 2014
Nachdem sich die EU-Finanzminister längere Zeit nicht auf die Einführung einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer (FTT) verständigen konnten, wird nun nach einer Alternative zur Besteuerung von Finanzgeschäften gesucht, um Spekulanten in Europa zukünftig stärker zur Kasse zu bitten. Favorisiert wird dabei von der deutschen Bundesregierung dabei eine abgespeckte Form der FTT, eine sogenannte Börsenumsatzsteuer oder Stempelsteuer, wie es sie beispielsweise in Grossbritannien gibt.
Auf Anregung Deutschlands wird nun geprüft, wie neben Aktien auch andere Produkte wie Derivate in die Besteuerung einbezogen werden können. Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass beim Handel mit Anleihen und Aktien ab dem Jahr 2014 eine Steuer in Höhe von 0,1 % des Handelsumsatzes erhoben werden soll. Für Derivate, wie zum Beispiel Terminkontrakte und Optionen, soll die Steuer auf 0,01 % des zugrundeliegenden Wertes lauten.
2 oder 11 Mrd. Euro Steuereinnahmen für die deutsche Bundesregierung?
Für die deutsche Bundesregierung könnte die Steuer recht optimistischen Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge rund 11 Mrd. Euro zusätzliche Steuereinnahmen jährlich bringen, wie das Magazin 'Der Spiegel' berichtet. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kalkuliert bisher lediglich mit 2 Mrd. Euro pro Jahr. Ob die von der SPD-Bundestagsfraktion bezahlte DIW-Studie jedoch alle Faktoren ausreichend berücksichtigt, darf unserer Meinung nach durchaus bezweifelt werden.
Grossbritannien will Börsenplatz durch Blockade schützen
Vor allem Grossbritannien und Schweden - aber andere EU-Staaten - hatten die von Wolfgang Schäuble gewünschte Finanztransaktionssteuer strikt abgelehnt. Der britische Amtskollege George Osborne sagte jedoch kürzlich, dass auch die Beteiligung seines Landes an einer EU-weiten Börsenumsatz- oder Stempelsteuer unwahrscheinlich sei. Da es EU-weite Steuergesetze nur bei Zustimmung aller 27 Staaten geben kann, wird laut Schäuble nun die verstärkte Zusammenarbeit einer grösseren Staatengruppe innerhalb der EU überlegt, denn für eine Börsensteuer gibt es in der Euro-Gruppe immerhin deutlich mehr Zustimmung als für die FTT.
Nach einem Vierergipfel der Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien wurde bekannt, dass mittlerweile insgesamt zehn EU-Länder zur Einführung einer Besteuerung von Finanzgeschäften bereit sind. Allerdings dürfte durch das Ausscheren von Grossbritannien das Ziel einer umfassenden Besteuerung von Spekulationsgeschäften in Europa verfehlt werden. Die britische Regierung sorgt sich um den Finanzstandort London und um viele Arbeitsplätze, sollte eine EU-weit eingeführte Steuer Banken und Investmentfonds zur Verlagerung ihrer Geschäfte oder zur Abwanderung bewegen. Letztendlich könnte eine Steuer, die nur in wenigen Ländern eingeführt wird, dem bislang bereits wichtigen Finanz- und Börsenplatz London zusätzliches Geschäft bringen.
Stempelsteuer in Grossbritannien
Bisher gibt es an der Londoner BÖrse eine sogenannte Stempelsteuer von 0,5 % beim Kauf von inländischen Aktien. Um jedoch dem Finanzmarkt nicht zu schaden, sind die Handelsgeschäfte der institutionellen Investoren, die als Zwischenhändler definiert werden, ausgenommen - damit also auch der Hochfrequenzhandel an der Börse. Auch der Kauf von Derivaten auf Aktien führt nicht zur Stempelsteuer.
Dies erklärt, warum sich das Aktiengeschäft in London stark auf den Handel von Differenzgeschäften, sogenannten Contract for Differences (CFDs), verlagert hat, die den direkten Aktienkauf vermeiden und nur Kursdifferenzen ausnutzen. Die Stempelsteuer auf Aktien bringt dem britischen Staat im Jahr etwas mehr als umgerechnet 4 Mrd. Euro ein. Die British Bankers Association (BBA) sagt, eine Transaktionssteuer habe nur auf globaler Ebene einen Sinn, wohl wissend, dass dies illusorisch wäre.
Schweiz berechnet ebenfalls Stempelsteuer
Ausserhalb der EU gibt es z.B. in der Schweiz bereits eine Stempelsteuer. So werden auf Schweizer Aktien Steuern in Höhe von 0,075 % auf den Kaufwert berechnet. Für Auslandsaktien beträgt die Steuer 0,15 % des Transaktionswerts. Das Steueraufkommen der Schweizer Stempelsteuer liegt bei rund 1,7 Mrd. Franken (1,5 Mrd. Euro) im Jahr. Vor allem der Schweizer Bankenverband dringt seit etlichen Jahren auf eine Abschaffung der Steuer, die den Finanzmarkt Schweiz im internationalen Wettbewerb benachteilige und Wachstum koste.
Transaktionssteuer in Schweden endete im Desaster
Schwedens ablehnende Haltung zu einer Finanztransaktionssteuer ist sicherlich der eigenen Erfahrung geschuldet. Die schwedische sozialdemokratische Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Olof Palme wollte 1984 mit der Besteuerung von Finanzmarkttransaktionen umgerechnet bis zu 165 Mio. Euro im Jahr einnehmen. Der Steuersatz lag bei satten 1 % (!) des gekauften Aktienwertes. Durchschnittlich wurden dann allerdings nicht mehr als 9 Mio. Euro p.a. erlöst, wie aus diesem Papier der deutschen Bundesregierung hervorgeht. Grund dafür war der Zusammenbruch der Handelsumsätze um -85 % bei festverzinslichen Wertpapieren und des Terminhandel mit Futures und Optionen auf nahezu Null. Der Handel verlagerte sich auch bei Aktien zusehends in Richtung London, wo die meisten schwedischen Aktien notiert waren. Im Jahr 1992 wurde die Steuer schliesslich als grosser Misserfolg wieder abgeschafft.
Frankreich führt Börsenumsatzsteuer im Alleingang ein
Vor allem Paris ist ein eifriger Vorkämpfer für die neue Abgabe. Noch vor der Einführung per 1. August hat der neue sozialistische Präsident eine Transaktionssteuer von geplanten 0,1 % (von Nicolas Sarkozy) auf 0,2 % verdoppelt. Die Steuer betrifft alle in Paris umgesetzten Aktien von rund 100 französischen Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Mrd. Euro und gilt für in Frankreich steuerpflichtige Personen.
Darüber hinaus sollen in Frankreich auch Geschäfte mit Kreditausfallversicherungen (CDS) und der automatisierte Hochfrequenzhandel mit 0,01 % des Umsatzes besteuert werden, ähnlich wie dies der Vorschlag der EU-Kommission für die EU vorsieht. Frankreich erwartet sich aus der Steuer Einnahmen in Höhe von 170 Mio. Euro in diesem Jahr und 2013 von 500 Mio. Euro.
Umgehungsmöglichkeiten für Institutionelle Anleger
Das Beispiel Frankreich zeigt, dass auch eine kleine Steuer bei Bedarf leicht erhöht werden kann, wenn diese erst einmal beschlossen wurde. Präsident Hollande überlegt offenbar bereits eine weitere Verschärfung und Ausdehnung auf alle Finanztransaktionen. Kurzsichtige Politiker, die den grossen Finanzmarktakteuren (berechtigterweise) ans Portemonnaie wollen, übersehen, dass sie womöglich der eigenen Börse durch die Einführung einer lokal beschränkten Transaktionssteuer erheblich schaden, denn grössere Geschäfte dürften dann vor allem in Ländern ohne Besteuerung, wie z.B. Grossbritannien oder den USA abgewickelt werden.
Diesen Lernprozess könnte man sich (mit etwas Studium der von anderen Ländern bereits genutzten Transaktionssteuern) auch sparen, indem man sich sinnvollere Abgaben für die Finanzindustrie ohne Umgehungsmöglichkeiten überlegt - wenn man schon etwas für den klammen Staatshaushalt einnehmen will. Institutionelle Anleger werden die Steuer aber wohl mit Hilfe von CFDs (Differenzgeschäften) ohnehin umgehen. 'Wir haben niemals britische Aktien gekauft ohne CFD zu benutzen', sagt Fabrice Seiman, Co-Chef des Fusions-Arbitrage-Fonds Lutetia Capital in Paris. 'Jetzt werden wir das gleiche bei französischen Aktien machen. Es werden die Kleinanleger sein, die zahlen müssen.'
Fazit: Für Privatanleger verschmerzbar, Trader und Grossanleger finden Umgehungsmöglichkeiten
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Positionen der verschiedenen EU-Länder weiterhin sehr verschieden sind, auch wenn es eine grosse Mehrheit für eine EU-weite Börsenumsatzsteuer gibt. Da allen Beteiligten klar ist, dass nur eine möglichst grosse Lösung Sinn macht, gibt es noch erheblichen Diskussionsbedarf, bevor eine EU-Richtlinie beschlossen werden kann. Vor allem Grossbritannien dürfte, wie schon beim EU-Fiskalpakt, aussen vor bleiben und würde damit möglicherweise sogar von einer Börsenumsatzsteuer in den anderen EU-Ländern profitieren.
Das Ziel, die Spekulation von Hedgefonds und internationalen Grossanlegern einzudämmen, dürfte durch die geplante Abgabe in der aktuellen Form - genau wie die optimistischen Einnahmenrechnungen - weit verfehlt werden. Stattdessen dürften die zurückgehenden Handelsvolumina an den betreffenden Börsen zu weit weniger liquidem Handel, grösseren Geld- und Briefspannen und damit auch zu vielfach schlechteren Kursen führen. Als Konsequenz könnte es für börsennotierte Firmen schwieriger werden, frisches Eigenkapital über die Ausgabe neuer Aktien in die Firmenkasse zu bekommen, was wiederum schlecht für den Arbeitsmarkt ist, wenn Unternehmen kein Kapital für Investitionen haben.
Für die meisten Privatanleger dürfte eine Börsenumsatzsteuer in Höhe von 0,1 % zwar ärgerlich aber letztendlich doch verschmerzbar sein, denn bei einem Transaktionsvolumen von 5.000 Euro wären demnach überschaubare 5 Euro Steuer fällig. Aktive Trader, die täglich zahlreiche Transaktionen durchführen oder grössere Marktteilnehmer dürften sich rasch und erfolgreich nach Schlupflöchern, wie z.B. anderen Börsenplätzen und Umgehungsmöglichkeiten wie CFDs umsehen.
Die Abgabe dürfte zu einer Alibi-Steuer werden, bei der die Politik dann sagen kann: 'Seht her! Wir haben etwas getan.' Dass es trotz des guten Willens am Ende wohl wieder die Klein- und Privatanleger sein werden, die zahlen dürfen, und die Regierungen das eigentliche Ziel der Besteuerung von Hedgefonds und Grossspekulanten völlig verfehlen dürften, macht die geplante Börsenumsatzsteuer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Farce.
In Deutschland wurde übrigens die Börsenumsatzsteuer im Jahr 1991 abgeschafft, um den Finanz- und Börsenplatz zu fördern. In Österreich gab es die Abschaffung 2001 und in Frankreich und Italien im Jahr 2008, wie man in dieser Übersicht des deutschen Bundesfinanzministeriums auf Seite 7 sehen kann, die nach einer Anfrage von FDP-Bundestagsabgeordneten an die Regierung 2009 entstanden ist und in der auch die Börsenumsatzsteuer in anderen - in diesem Bericht nicht erwähnten - EU-Ländern beschrieben wird.
Interessant ist übrigens, dass es eine Börsensteuer in einigen EU-Ländern, wie den finanziell angeschlagenen Staaten Irland, Griechenland und Zypern, bereits gibt. D.h. belegt sehr deutlich, dass eine Steuer gegen Investoren, die Geld an der Börse veranlagen, offenstichlich nicht geeignet ist, um eine Bankenkrise zu verindern (Irland, Zypern) und diese auch nicht die Zahlungsfähigkeit einer Regierung sicherstellen kann (Griechenland). Hierfür ist dann doch die Politik gefordert, die eine funktionierende Bankenaufsicht schaffen muss beziehungsweise mit ihren Steuereinnahmen haushalten lernen muss! Mit der aktuellen Euro-Krise, einer Vertrauenskrise in die Schulden machenden Euro-Regierungen, haben Börsengeschäfte jedenfalls nichts zu tun!
Vorschlag der EU-Kommission: 0,1 % Steuer ab 2014
Nachdem sich die EU-Finanzminister längere Zeit nicht auf die Einführung einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer (FTT) verständigen konnten, wird nun nach einer Alternative zur Besteuerung von Finanzgeschäften gesucht, um Spekulanten in Europa zukünftig stärker zur Kasse zu bitten. Favorisiert wird dabei von der deutschen Bundesregierung dabei eine abgespeckte Form der FTT, eine sogenannte Börsenumsatzsteuer oder Stempelsteuer, wie es sie beispielsweise in Grossbritannien gibt.
Auf Anregung Deutschlands wird nun geprüft, wie neben Aktien auch andere Produkte wie Derivate in die Besteuerung einbezogen werden können. Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass beim Handel mit Anleihen und Aktien ab dem Jahr 2014 eine Steuer in Höhe von 0,1 % des Handelsumsatzes erhoben werden soll. Für Derivate, wie zum Beispiel Terminkontrakte und Optionen, soll die Steuer auf 0,01 % des zugrundeliegenden Wertes lauten.
2 oder 11 Mrd. Euro Steuereinnahmen für die deutsche Bundesregierung?
Für die deutsche Bundesregierung könnte die Steuer recht optimistischen Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge rund 11 Mrd. Euro zusätzliche Steuereinnahmen jährlich bringen, wie das Magazin 'Der Spiegel' berichtet. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kalkuliert bisher lediglich mit 2 Mrd. Euro pro Jahr. Ob die von der SPD-Bundestagsfraktion bezahlte DIW-Studie jedoch alle Faktoren ausreichend berücksichtigt, darf unserer Meinung nach durchaus bezweifelt werden.
Grossbritannien will Börsenplatz durch Blockade schützen
Vor allem Grossbritannien und Schweden - aber andere EU-Staaten - hatten die von Wolfgang Schäuble gewünschte Finanztransaktionssteuer strikt abgelehnt. Der britische Amtskollege George Osborne sagte jedoch kürzlich, dass auch die Beteiligung seines Landes an einer EU-weiten Börsenumsatz- oder Stempelsteuer unwahrscheinlich sei. Da es EU-weite Steuergesetze nur bei Zustimmung aller 27 Staaten geben kann, wird laut Schäuble nun die verstärkte Zusammenarbeit einer grösseren Staatengruppe innerhalb der EU überlegt, denn für eine Börsensteuer gibt es in der Euro-Gruppe immerhin deutlich mehr Zustimmung als für die FTT.
Nach einem Vierergipfel der Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien wurde bekannt, dass mittlerweile insgesamt zehn EU-Länder zur Einführung einer Besteuerung von Finanzgeschäften bereit sind. Allerdings dürfte durch das Ausscheren von Grossbritannien das Ziel einer umfassenden Besteuerung von Spekulationsgeschäften in Europa verfehlt werden. Die britische Regierung sorgt sich um den Finanzstandort London und um viele Arbeitsplätze, sollte eine EU-weit eingeführte Steuer Banken und Investmentfonds zur Verlagerung ihrer Geschäfte oder zur Abwanderung bewegen. Letztendlich könnte eine Steuer, die nur in wenigen Ländern eingeführt wird, dem bislang bereits wichtigen Finanz- und Börsenplatz London zusätzliches Geschäft bringen.
Stempelsteuer in Grossbritannien
Bisher gibt es an der Londoner BÖrse eine sogenannte Stempelsteuer von 0,5 % beim Kauf von inländischen Aktien. Um jedoch dem Finanzmarkt nicht zu schaden, sind die Handelsgeschäfte der institutionellen Investoren, die als Zwischenhändler definiert werden, ausgenommen - damit also auch der Hochfrequenzhandel an der Börse. Auch der Kauf von Derivaten auf Aktien führt nicht zur Stempelsteuer.
Dies erklärt, warum sich das Aktiengeschäft in London stark auf den Handel von Differenzgeschäften, sogenannten Contract for Differences (CFDs), verlagert hat, die den direkten Aktienkauf vermeiden und nur Kursdifferenzen ausnutzen. Die Stempelsteuer auf Aktien bringt dem britischen Staat im Jahr etwas mehr als umgerechnet 4 Mrd. Euro ein. Die British Bankers Association (BBA) sagt, eine Transaktionssteuer habe nur auf globaler Ebene einen Sinn, wohl wissend, dass dies illusorisch wäre.
Schweiz berechnet ebenfalls Stempelsteuer
Ausserhalb der EU gibt es z.B. in der Schweiz bereits eine Stempelsteuer. So werden auf Schweizer Aktien Steuern in Höhe von 0,075 % auf den Kaufwert berechnet. Für Auslandsaktien beträgt die Steuer 0,15 % des Transaktionswerts. Das Steueraufkommen der Schweizer Stempelsteuer liegt bei rund 1,7 Mrd. Franken (1,5 Mrd. Euro) im Jahr. Vor allem der Schweizer Bankenverband dringt seit etlichen Jahren auf eine Abschaffung der Steuer, die den Finanzmarkt Schweiz im internationalen Wettbewerb benachteilige und Wachstum koste.
Transaktionssteuer in Schweden endete im Desaster
Schwedens ablehnende Haltung zu einer Finanztransaktionssteuer ist sicherlich der eigenen Erfahrung geschuldet. Die schwedische sozialdemokratische Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Olof Palme wollte 1984 mit der Besteuerung von Finanzmarkttransaktionen umgerechnet bis zu 165 Mio. Euro im Jahr einnehmen. Der Steuersatz lag bei satten 1 % (!) des gekauften Aktienwertes. Durchschnittlich wurden dann allerdings nicht mehr als 9 Mio. Euro p.a. erlöst, wie aus diesem Papier der deutschen Bundesregierung hervorgeht. Grund dafür war der Zusammenbruch der Handelsumsätze um -85 % bei festverzinslichen Wertpapieren und des Terminhandel mit Futures und Optionen auf nahezu Null. Der Handel verlagerte sich auch bei Aktien zusehends in Richtung London, wo die meisten schwedischen Aktien notiert waren. Im Jahr 1992 wurde die Steuer schliesslich als grosser Misserfolg wieder abgeschafft.
Frankreich führt Börsenumsatzsteuer im Alleingang ein
Vor allem Paris ist ein eifriger Vorkämpfer für die neue Abgabe. Noch vor der Einführung per 1. August hat der neue sozialistische Präsident eine Transaktionssteuer von geplanten 0,1 % (von Nicolas Sarkozy) auf 0,2 % verdoppelt. Die Steuer betrifft alle in Paris umgesetzten Aktien von rund 100 französischen Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Mrd. Euro und gilt für in Frankreich steuerpflichtige Personen.
Darüber hinaus sollen in Frankreich auch Geschäfte mit Kreditausfallversicherungen (CDS) und der automatisierte Hochfrequenzhandel mit 0,01 % des Umsatzes besteuert werden, ähnlich wie dies der Vorschlag der EU-Kommission für die EU vorsieht. Frankreich erwartet sich aus der Steuer Einnahmen in Höhe von 170 Mio. Euro in diesem Jahr und 2013 von 500 Mio. Euro.
Umgehungsmöglichkeiten für Institutionelle Anleger
Das Beispiel Frankreich zeigt, dass auch eine kleine Steuer bei Bedarf leicht erhöht werden kann, wenn diese erst einmal beschlossen wurde. Präsident Hollande überlegt offenbar bereits eine weitere Verschärfung und Ausdehnung auf alle Finanztransaktionen. Kurzsichtige Politiker, die den grossen Finanzmarktakteuren (berechtigterweise) ans Portemonnaie wollen, übersehen, dass sie womöglich der eigenen Börse durch die Einführung einer lokal beschränkten Transaktionssteuer erheblich schaden, denn grössere Geschäfte dürften dann vor allem in Ländern ohne Besteuerung, wie z.B. Grossbritannien oder den USA abgewickelt werden.
Diesen Lernprozess könnte man sich (mit etwas Studium der von anderen Ländern bereits genutzten Transaktionssteuern) auch sparen, indem man sich sinnvollere Abgaben für die Finanzindustrie ohne Umgehungsmöglichkeiten überlegt - wenn man schon etwas für den klammen Staatshaushalt einnehmen will. Institutionelle Anleger werden die Steuer aber wohl mit Hilfe von CFDs (Differenzgeschäften) ohnehin umgehen. 'Wir haben niemals britische Aktien gekauft ohne CFD zu benutzen', sagt Fabrice Seiman, Co-Chef des Fusions-Arbitrage-Fonds Lutetia Capital in Paris. 'Jetzt werden wir das gleiche bei französischen Aktien machen. Es werden die Kleinanleger sein, die zahlen müssen.'
Fazit: Für Privatanleger verschmerzbar, Trader und Grossanleger finden Umgehungsmöglichkeiten
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Positionen der verschiedenen EU-Länder weiterhin sehr verschieden sind, auch wenn es eine grosse Mehrheit für eine EU-weite Börsenumsatzsteuer gibt. Da allen Beteiligten klar ist, dass nur eine möglichst grosse Lösung Sinn macht, gibt es noch erheblichen Diskussionsbedarf, bevor eine EU-Richtlinie beschlossen werden kann. Vor allem Grossbritannien dürfte, wie schon beim EU-Fiskalpakt, aussen vor bleiben und würde damit möglicherweise sogar von einer Börsenumsatzsteuer in den anderen EU-Ländern profitieren.
Das Ziel, die Spekulation von Hedgefonds und internationalen Grossanlegern einzudämmen, dürfte durch die geplante Abgabe in der aktuellen Form - genau wie die optimistischen Einnahmenrechnungen - weit verfehlt werden. Stattdessen dürften die zurückgehenden Handelsvolumina an den betreffenden Börsen zu weit weniger liquidem Handel, grösseren Geld- und Briefspannen und damit auch zu vielfach schlechteren Kursen führen. Als Konsequenz könnte es für börsennotierte Firmen schwieriger werden, frisches Eigenkapital über die Ausgabe neuer Aktien in die Firmenkasse zu bekommen, was wiederum schlecht für den Arbeitsmarkt ist, wenn Unternehmen kein Kapital für Investitionen haben.
Für die meisten Privatanleger dürfte eine Börsenumsatzsteuer in Höhe von 0,1 % zwar ärgerlich aber letztendlich doch verschmerzbar sein, denn bei einem Transaktionsvolumen von 5.000 Euro wären demnach überschaubare 5 Euro Steuer fällig. Aktive Trader, die täglich zahlreiche Transaktionen durchführen oder grössere Marktteilnehmer dürften sich rasch und erfolgreich nach Schlupflöchern, wie z.B. anderen Börsenplätzen und Umgehungsmöglichkeiten wie CFDs umsehen.
Die Abgabe dürfte zu einer Alibi-Steuer werden, bei der die Politik dann sagen kann: 'Seht her! Wir haben etwas getan.' Dass es trotz des guten Willens am Ende wohl wieder die Klein- und Privatanleger sein werden, die zahlen dürfen, und die Regierungen das eigentliche Ziel der Besteuerung von Hedgefonds und Grossspekulanten völlig verfehlen dürften, macht die geplante Börsenumsatzsteuer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Farce.
In Deutschland wurde übrigens die Börsenumsatzsteuer im Jahr 1991 abgeschafft, um den Finanz- und Börsenplatz zu fördern. In Österreich gab es die Abschaffung 2001 und in Frankreich und Italien im Jahr 2008, wie man in dieser Übersicht des deutschen Bundesfinanzministeriums auf Seite 7 sehen kann, die nach einer Anfrage von FDP-Bundestagsabgeordneten an die Regierung 2009 entstanden ist und in der auch die Börsenumsatzsteuer in anderen - in diesem Bericht nicht erwähnten - EU-Ländern beschrieben wird.
Interessant ist übrigens, dass es eine Börsensteuer in einigen EU-Ländern, wie den finanziell angeschlagenen Staaten Irland, Griechenland und Zypern, bereits gibt. D.h. belegt sehr deutlich, dass eine Steuer gegen Investoren, die Geld an der Börse veranlagen, offenstichlich nicht geeignet ist, um eine Bankenkrise zu verindern (Irland, Zypern) und diese auch nicht die Zahlungsfähigkeit einer Regierung sicherstellen kann (Griechenland). Hierfür ist dann doch die Politik gefordert, die eine funktionierende Bankenaufsicht schaffen muss beziehungsweise mit ihren Steuereinnahmen haushalten lernen muss! Mit der aktuellen Euro-Krise, einer Vertrauenskrise in die Schulden machenden Euro-Regierungen, haben Börsengeschäfte jedenfalls nichts zu tun!
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