In den Jahren, wo der US-Präsident gewählt wird, folgt nach einem Plus im August mit 65% Wahrscheinlichkeit ein negativer September! Diese Statistik geht bis auf 1896 zurück, als der Dow Jones zum ersten Mal notiert wurde. Meine aktuelle Anlagestrategie und Markteinschätzung diskutierte ich mit Andreas Gross vom Deutschen Anleger Fernsehen (DAF) in einem Telefon-Interview am 30. August (http://www.daf.fm/video/daf-spezial-heiko-thieme-spricht-klartext-50156798.html).
Das Kaufinteresse am Freitag konnte das negative Wochenresultat an den Börsen zwar reduzieren aber nicht verhindern. Der August war dennoch ein positiver Börsenmonat, obwohl die zweite Hälfte negativ verlief. Das leichte Minus beim Schweizer Markt (SMI) im August und das Wochenminus bedeuteten gleich zweimal den letzten Platz (rote Pfeile). Der DAX bleibt Jahressieger (grüner Pfeil) dicht gefolgt vom amerikanischen Freiverkehrsmarkt (NASDAQ). Das Plus von rund 18% ist mehr als das Doppelte, was für ein normales Börsenjahr an Kursanstieg ohne Dividenden zu erwarten ist. Edelmetalle und Öl waren die Gewinner im August, wobei Silber in allen Zeitabschnitten als absoluter oder Sektoren-Sieger hervorging (hellgrüner und grüne Pfeile). Edelmetalle behandelte ich im Detail bereits am 27. August.
Die Sommer-Rallye endete kurz nach Mitte August. Der DAX erzielte vom 5. Juni bis zum 20. August ein beachtliches Plus von fast 19% (schwarzer Pfeil) während der Dow Jones vom 4. Juni bis 17. August knapp 10% zulegte (roter Pfeil). Beide Resultate liegen über dem Durchschnitt für eine normale Sommer-Rallye. Die von mir erwartete "Atempause" kann im September, gemessen von den jeweiligen Höchstständen im August, ein Minus zwischen 4% bis 7% erreichen, wobei auch noch ein Teil des Oktobers unter Verkaufsdruck stehen kann. Danach rechne ich mit neuen Jahreshöchstständen. Diese Details erläutere ich im obigen Interview mit Andreas Gross vom DAF. Der September und Oktober sind daher Kaufmonate, während im August Gewinne zumindest teilweise mitzunehmen waren. Dieses Thema behandele ich auf der Hotline ständig.
Unternehmensgewinne sind im zweiten Quartal etwas gefallen. Im ersten Quartal wurde nach Steuern auf Jahresbasis (annualized) mit $1,671 Billionen (!!) ein Rekordhoch erzielt. Im zweiten Quartal waren es mit $1,648 Billionen (roter Kreis) auf Jahresbasis 5,3% weniger. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies jedoch immer noch eine Verbesserung von über 13% (lila Pfeil) nach einem Plus von 19% im ersten Quartal. Um die Jahrtausendwende vor über 12 Jahren (blauer Pfeil) lagen die Gewinne bei $500 Milliarden (rote Linie), also bei einem Drittel von heute. Diese Gewinnanalyse schließt neben den an der Börse notierten Unternehmen auch alle privaten Unternehmen bis hin zum 'Ein-Mann-Betrieb' mit ein.
Beschränkt man die Gewinnentwicklung auf die an der Börse notierten Unternehmen, so könnte der Dow Jones heute bei fast 20.000 (!!) anstatt aktuell 13.091 stehen, wenn man es mit der Bewertung vom Jahre 2000 vergleicht, als der Dow Jones bei 11.500 stand und die Gewinne rund 40% niedriger waren. Berücksichtigt man noch zusätzlich die heutigen Zinsen von 0% für Tagesgeldwer und 1,6% für 10-jährige US-Staatsanleihen im Vergleich zu 6% für Tagesgelder (fed funds rate) und 6,5% für 10-jährige US-Staatsanleihen Ende 1999, so würde dies heute einen Dow Jones Indexstand von sogar 35.000 (!!!) bedeuten. Dies ist jedoch keine Prognose sondern soll lediglich zeigen, dass die aktuelle Bewertungsbasis nicht zu hoch ist, und diese Hausse somit noch viel Spielraum nach oben hat. Ein neues Rekordhoch von bis zu 15.000 ist dabei im nächsten Jahr möglich, sofern Politiker dies nicht wie bereits im vergangenen Jahr durch Fehlentscheidungen wieder kaputtmachen.
Das Verbrauchervertrauen ist im August über 7% gefallen (schwarzer Pfeil). Die rückläufige Entwicklung seit Februar diesen Jahres (hellgrüner Pfeil) sieht im Ansatz ähnlich aus wie im Vorjahr (grüner Pfeil), als das Vertrauen bis Oktober (orangener Pfeil) deutlich fiel, bevor eine Erholung einsetzte. Dies wirft ein Fragezeichen für die kommenden Einzelhandelsumsätze auf, die sich bereits seit über einem Jahr auf einem abschwächenden Wachstumstrend befinden (roter Pfeil). Die US-Wirtschaft wuchs mit 1,7% im zweiten Quartal, was nicht ausreicht, um die Arbeitslosenrate nachhaltig zu senken. Selbst eine Wachstumsbeschleunigung von 2% im zweiten Halbjahr ist keine befriedigende Lösung.
Der Wahlkongress der Republikaner brachte wenige Überraschungen und krönte erwartungsgemäß Mitt Romney zum Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 6. November. Konkrete Programmverschläge gab es bisher nicht. Die Demokraten halten ihren Kongress in der ersten September-Woche ab. Das Rennen ist weiterhin vollkommen offen. Meine Wahlprognose werde ich im Oktober vorlegen.
Norbert Walter 23.9. 1944 - 31.8. 2012
Der plötzliche Tod von Norbert Walter schmerzt. Mit ihm habe ich einen fast gleichaltrigen Streitgenossen verloren, der auch vielen anderen fehlen wird. Seine oft kontroversen volkswirtschaftlichen Betrachtungen und Prognosen hatten einen hohen Stellenwert. Wir kannten uns seit 25 Jahren. Zuerst als Kollegen bei der Deutschen Bank und später sahen wir uns regelmäßig bei Empfängen und traten mitunter auf Kongressen als Redner auf. Unsere oft gegenteiligen Prognosen über die allgemeine Wirtschaftslage und Börsenentwicklung war Teil unserer freundschaftlichen Verbundenheit und Basis für einen angeregten Gedankenaustausch. In der Bedeutung des Euros als essentieller Baustein für ein gemeinsames Europa waren wir uns immer einig. Vor neun Wochen sahen wir uns in Frankfurt, wie sich jetzt leider herausstellt, zum letzten Mal. Mein Beileid gilt besonders seiner Familie. Die Welt hat einen provokativen Denker und Persönlichkeit verloren.
Am Montag sind die US-Börsen geschlossen. Amerika feiert den "Tag der Arbeit" (Labor Day) mit diesem dreitägigen Wochenende, das gleichzeitig auch das Ende des Börsensommers ist. Weitere Einschätzungen und Empfehlungen auf der Hotline. Der nächste Blog erscheint in der zweiten September-Woche.
© 2012 Heiko Thieme