Karlsruhe (ots) - Niedersachsen schreibt Wahlgeschichte. In einem Krimi der hin und her wogenden Mehrheitsverhältnisse bleibt am Ende ein Patt der Machtblöcke Schwarz-Gelb und Rot-Grün. Damit hat der Wahlkrimi keinen eindeutigen Sieger und die Frage, wer im zweitgrößten Bundesland Ministerpräsident wird, bleibt offen. Der CDU gelingt in Hannover in jedem Fall ein Achtungserfolg. Monatelang war ihr Bündnis mit der FDP ein sicheres Auslaufmodell. Mit einer plötzlich wie Phönix aufsteigenden FDP könnte die bürgerlich-liberale Regierungsstrecke möglicherweise fortgesetzt werden. Die Leihstimmen-Kampagne, die McAllister so beharrlich bestritt, bis sie richtig tief ins Bewusstsein rückte, und die Rösler im Hintergrund lautstark propagierte, fruchtete. Möglicherweise aber ist sie ein Muster ohne Wert. McAllister steht schon jetzt mit dem kleinen Plus da, als "Merkels Mac" tapfer gekämpft zu haben und weiterhin eine Perspektive in der Union zu besitzen. Möglicherweise sogar in der Rolle eines Top-Granden, sollte es nicht zum Regierungschef in Niedersachsen reichen. Für viele ist er - trotz der herben Verluste der Union - der gefühlte Ministerpräsident, auch wenn auf den Niedersachsen die Hypothek eines 50-Milliarden-Schuldenbergs lastet. Denn Niedersachsen präsentiert am Ende der schwarz-gelben Ära durchaus respektable Wirtschaftszahlen. FDP-Chef Rösler kann sich am Wahlresultat wieder aufrichten. Seine FDP war vor dem 20. Januar im Bund schon eine schwindsüchtige Erscheinung, er selbst ein permanenter Wackelkandidat. Der Wahlabend macht zwar nicht alles anders, aber er definiert die Dinge neu: Rösler führt eine FDP an, die wieder in einem Bundesland aufhorchen lässt. Allein das macht ihn stärker. Die Seitenschüsse der echten oder unechten Rivalen werden allerdings nicht ausbleiben. Im Brüderle-Vorstoß, die Entscheidung über den Vorsitzenden vorzuziehen, schwingt schon so etwas wie ein Fragezeichen in der V-Frage mit. Für die SPD gibt es gemischte Erkenntnisse. Dass der schon fest gebuchte und wieder gefährdete Etappenerfolg auf dem Weg zur Bundestagswahl nicht locker eingeheimst wurde, ist kein Trumpf für die Sozialdemokratie, aber durch das Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Block Schwarz-Gelb geht die erste Runde im Wahljahr 2013 nicht eindeutig an das bürgerlich-konservative Lager. Das stärkt Steinbrück ein wenig den Rücken, auch wenn es die Pleiten und Pannen des SPD-Kandidaten nicht vergessen macht. Welchen Nektar die Sozialdemokratie und ihr Kanzlerkandidat aus Hannover saugen, werden allerdings erst die Realitäten der nächsten Wochen zeigen. Nüchtern bilanziert verdanken die Sozialdemokraten nur den Grünen und deren Allzeithoch die Tatsache, die seit 2003 - damals unter Wulff - regierende schwarz-gelbe Koalition in Gefahr zu bringen. Ihr eigener schwacher Zugewinn kann sie nicht wahrhaft glücklich machen. Urnengänge kennen nur Sieger und Verlierer, mit denen aber kann Hannover nicht dienen. Für die SPD beendet Hannover zwar nicht in toto die Katerstimmung ums Phänomen Steinbrück - Zyniker sprachen bereits offen vom Tief "Peer" -, aber er beschert dem SPD-Kanzlerkandidaten wieder das Quäntchen mehr an Ruhe, das neue Freiheiten garantiert. Auf Loyalitätsschwüre sind dennoch keine hohen Wetten zu setzen. Die Grünen bleiben im Wahljahr in aussichtsreicher Lauerstellung. Für die Union und ihren Frontmann McAllister ist die Aufholjagd von Schwarz-Gelb in jedem Fall ein Motivationsschub. Und die FDP: Sie feiert eine Wiederauferstehung, die sie in großen Teilen dem taktischen Kalkül des Wählers verdankt. Den Alltagshärten könnte Rösler schon bei den nächsten Bundes-Umfragen begegnen. Möglicherweise aber stabilisiert sich die FDP auch. Für einen Moment darf sich Rösler jedenfalls im Refrain wiegen: Wunder gibt es immer wieder.
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Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
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