Nach einem schwierigen Auftakt hat sich beim EU-Gipfel über den neuen Finanzplan ein Kompromiss abgezeichnet. Die Staats- und Regierungschefs debattierten am Donnerstagabend über einen neuen Budgetvorschlag, der zusätzliche Einsparungen vorsieht. Gipfelchef Herman Van Rompuy schlage darin eine Obergrenze von voraussichtlich 960 Milliarden Euro für die Ausgaben 2014 bis 2020 vor, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Brüssel. Auf diese Summe wollten sich die Staatenlenker verständigen. Nun droht das Europaparlament mit einer Blockade, auch weil die tatsächlichen Zahlungen noch geringer ausfallen sollen.
Der neue Vorschlag entspricht Kürzungen von etwa 12 Milliarden Euro gegenüber dem bisherigen Entwurf für den Siebenjahresplan. Dieser war im November vor allem am Widerstand der sparwilligen Geberländer wie Deutschland und Großbritannien gescheitert. Jedes Land kann ein Veto gegen den Finanzplan einlegen, weil eine Einigung nur einstimmig möglich ist.
Laut Diplomaten wollte die Gipfelrunde mit der niedrigeren Summe vor allem dem britischen Premier David Cameron entgegenkommen, der zu Hause ein Sparbudget der Union präsentieren will. Cameron hatte zu Beginn des zweitägigen Gipfels gedroht: "Wenn die Zahlen nicht kleiner werden, werden wir keinen Deal haben."
Die neue Obergrenze entspräche genau einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung - so wie es die Bundesregierung früher verlangt hatte. Auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande hatte diesen Betrag schon zu Wochenbeginn als Kompromisslinie genannt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Hollande zogen beim Finanzgipfel am selben Strang. Laut Diplomaten waren sie sich im Vorfeld weitgehend einig geworden. Aus Berlin wurde schon zuvor bekannt, dass Deutschland wohl in den kommenden Jahren mehr nach Brüssel zahlen müsse und weniger zurückbekomme.
Allerdings zeichnet sich ein handfester Streit mit dem Europaparlament ab, das dem Haushalt später zustimmen muss. Schulz kritisierte, dass die 960 Milliarden Euro sogenannte Verpflichtungsermächtigungen seien, die über mehrere Jahre laufen - wohingegen die tatsächlichen Auszahlungen nur mit 910 bis 913 Milliarden Euro angesetzt seien.
"Das nennt man ein Defizit", sagte Schulz. Das Parlament stehe dem sehr skeptisch gegenüber. "Ich unterschreibe keinen Defizit-Haushalt mehr." Dies sei laut EU-Vertrag verboten. Ein möglicher Kompromiss könnte eine Klausel für den flexiblen Einsatz der Mittel sein, nach der nicht-abgerufene Gelder zwischen den Jahren und Kategorien verschoben werden können.
Nach stundenlangen intensiven Vorgesprächen und Beratungen stieg die Zuversicht für eine Einigung. Gipfelchef Van Rompuy sagte: "Ich bin zuversichtlich, dass wir an diesem Tisch jetzt einen endgültigen Kompromiss vereinbaren können. Wir müssen das einfach." Angesichts der klammen Kassen in Europa sei "ein Budget der Mäßigung" nötig. Es müsse aber auch dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Öffentlich äußerte er sich nicht zu neuen Zahlen.
Deutsche Regierungskreise gaben sich dennoch weiter skeptisch. Die Gespräche verliefen "sehr, sehr schwierig". Auch Merkel hatte noch bei ihrem Eintreffen in Brüssel betont: "Die Positionen sind doch noch recht weit auseinander."
Ohne Einigung auf einen neuen Siebenjahresplan müsste für die Zeit ab 2014 jeweils jährlich ein Budget festgesetzt werden. Für die Geberländer würde es dann vermutlich teurer werden. Sollte auch der zweite Anlauf keinen Erfolg haben, wird es laut EU-Diplomaten länger dauern, bis die EU noch einen weiteren unternimmt. Aus dem EU-Budget fließt 94 Prozent des Geldes in die Mitgliedstaaten zurück.
Während Geberländer wie Deutschland und Großbritannien weniger ausgeben wollen, kämpfen süd-und osteuropäische Länder um ihre Milliardenzuflüsse aus Brüssel. Im neuen Finanzrahmen soll die Förderung von Beschäftigung, Innovation und Infrastruktur nicht zu kurz kommen. Die Frage ist, wie stark dafür die Ausgaben für Landwirtschaft und die Förderung ärmerer Länder begrenzt werden sollen.
Der Rotstift soll nun auch bei der EU-Verwaltung angesetzt werden - eine Dauerforderung Camerons. Dabei macht diese nur einen kleinen Teil des Haushalts aus. Die größten Posten entfallen auf Zahlungen für Europas Bauern sowie die Förderung armer Regionen. Hollande pochte auf die Agrarzahlungen, deren größter Profiteur Frankreich mit rund 10 Milliarden Euro jährlich ist. Wenn Europa "die Landwirtschaft vergessen würde, dann wäre ich damit nicht einverstanden", sagte der Sozialist./mt/DP/he
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