Berlin (ots) - Annette Schavan, gerichtet vom PC
Weg ist sie, und manche schlagen sich jetzt auf die Schenkel. Wieder jemand vom Sockel gestoßen! Es lebe der anonyme Machtbürger am Computer! (...) Mit Blick auf Schavans Doktorarbeit hat ein deutscher Anonymus am Computer ungefähr dies gesagt: "Ich weiß jetzt, was Sie vor 33 Jahren in Ihrem Studierzimmer getan haben." Die Ministerin ist seinetwegen nun gestürzt. Sie hat sich 2011 zwar öffentlich wegen Karl-Theodor zu Guttenberg geschämt. Aber beweist uns der unbestechliche PC nicht jetzt, dass sie heimlich selber Plagiate vertuscht hatte? Computer sind doch eine schöne Sache. Sind sie nicht. Annette Schavans Rücktritt war politisch unausweichlich, das ist klar. Erstens klagt die Wissenschaftsministerin gegen die Universität Düsseldorf um ihren Doktorgrad, und deshalb könnte sie in Sachfragen befangen sein. Zweitens gibt es in ihrer Doktorarbeit in der Tat sehr strittige Stellen. Die einzige wissenschaftliche Leistung einer Forschungsministerin darf keine solche Stellen enthalten. Der Anlass für den Rücktritt aber grenzt trotzdem an juristische Niedertracht. Er ist das Beispiel dafür, wie ein computergläubiger Rechtsstaat den Menschen aus dem Blick verliert.
Schavan, urteilte das zuständige Gremium der Universität Düsseldorf, habe in ihrer Doktorarbeit "vorsätzlich" getäuscht. Wie stellt man den bösen Willen fest? Normalerweise durch intensive Befragung der Beschuldigten und ihrer Helfer, also der Doktorväter. Schavans wortähnliche Fundstellen sind zwar ein Indiz, aber längst noch kein Beweis. Denn anders als Guttenberg hat Schavan nicht seitenlange kopierte Texte als eigene Bewertung ihres Doktorthemas ausgegeben. Wörtliche Parallelen gibt es bei ihr meist nur dort, wo sie den bisherigen Forschungsstand darstellt, und die Stellen sind eher kurz. Das kann ein böswilliges Plagiat sein, muss es aber nicht. In jedem anderen Rechtsgebiet hätte man sehr gründlich die Entstehung und die Motivlage untersucht. Bei Schavan war das aber überhaupt nicht nötig, denn der Computervergleich war doch eindeutig, oder? Die Beschuldigte durfte in Düsseldorf eine schriftliche Stellungnahme einreichen, aber wurde ohne persönliche Anhörung verurteilt. Der Textvergleich am PC reichte dafür aus (...)
Was hier passierte, ist "gesundes Volksempfinden" in digitaler Form und kann jeden treffen. Computer lügen nicht, aber haben auch kein Gewissen, sie melden einen Verdacht, und ein Kopf muss rollen: So sieht sie aus, die Rechtsprechung per Mausklick.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
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Weg ist sie, und manche schlagen sich jetzt auf die Schenkel. Wieder jemand vom Sockel gestoßen! Es lebe der anonyme Machtbürger am Computer! (...) Mit Blick auf Schavans Doktorarbeit hat ein deutscher Anonymus am Computer ungefähr dies gesagt: "Ich weiß jetzt, was Sie vor 33 Jahren in Ihrem Studierzimmer getan haben." Die Ministerin ist seinetwegen nun gestürzt. Sie hat sich 2011 zwar öffentlich wegen Karl-Theodor zu Guttenberg geschämt. Aber beweist uns der unbestechliche PC nicht jetzt, dass sie heimlich selber Plagiate vertuscht hatte? Computer sind doch eine schöne Sache. Sind sie nicht. Annette Schavans Rücktritt war politisch unausweichlich, das ist klar. Erstens klagt die Wissenschaftsministerin gegen die Universität Düsseldorf um ihren Doktorgrad, und deshalb könnte sie in Sachfragen befangen sein. Zweitens gibt es in ihrer Doktorarbeit in der Tat sehr strittige Stellen. Die einzige wissenschaftliche Leistung einer Forschungsministerin darf keine solche Stellen enthalten. Der Anlass für den Rücktritt aber grenzt trotzdem an juristische Niedertracht. Er ist das Beispiel dafür, wie ein computergläubiger Rechtsstaat den Menschen aus dem Blick verliert.
Schavan, urteilte das zuständige Gremium der Universität Düsseldorf, habe in ihrer Doktorarbeit "vorsätzlich" getäuscht. Wie stellt man den bösen Willen fest? Normalerweise durch intensive Befragung der Beschuldigten und ihrer Helfer, also der Doktorväter. Schavans wortähnliche Fundstellen sind zwar ein Indiz, aber längst noch kein Beweis. Denn anders als Guttenberg hat Schavan nicht seitenlange kopierte Texte als eigene Bewertung ihres Doktorthemas ausgegeben. Wörtliche Parallelen gibt es bei ihr meist nur dort, wo sie den bisherigen Forschungsstand darstellt, und die Stellen sind eher kurz. Das kann ein böswilliges Plagiat sein, muss es aber nicht. In jedem anderen Rechtsgebiet hätte man sehr gründlich die Entstehung und die Motivlage untersucht. Bei Schavan war das aber überhaupt nicht nötig, denn der Computervergleich war doch eindeutig, oder? Die Beschuldigte durfte in Düsseldorf eine schriftliche Stellungnahme einreichen, aber wurde ohne persönliche Anhörung verurteilt. Der Textvergleich am PC reichte dafür aus (...)
Was hier passierte, ist "gesundes Volksempfinden" in digitaler Form und kann jeden treffen. Computer lügen nicht, aber haben auch kein Gewissen, sie melden einen Verdacht, und ein Kopf muss rollen: So sieht sie aus, die Rechtsprechung per Mausklick.
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