Regensburg (ots) - Medaillenrausch in Schladming, Katerstimmung in Nove Mesto: Der deutsche Wintersport hat seine tollen Tage bis nach Aschermittwoch ausgedehnt. Es könnte einem angesichts der medialen Dauerberieselung ganz weiß vor Augen werden. Ausländische Besucher witzeln ja gerne, Deutschland spiegele mit der Vielzahl von Photovoltaikanlagen auf den Dächern vor, es sei in Wirklichkeit ein Mittelmeeranrainer. Sportlich jedoch verortet sich die Bundesrepublik - zumindest im Winter - in unmittelbarer Nähe des Nordkaps. Der Boom der Leibesübungen auf Eis und Schnee dauert an. Es ist ein Wintermärchen in einer goldenen Nische. Während sich die bedauernswerten Leichtathleten bei ihren Großereignissen mit Konkurrenten aus nahezu 200 Ländern herumschlagen müssen, kommen den Biathleten, Langläufern und Rodlern solche Exoten kaum in die Quere. Und nicht nur die Längen- und Breitengrade sind ein Ausschlusskriterium. Das rasante Bobfahren etwa ist enorm kostspielig. Hinzu kommt eine äußerst geschickte Vermarktungsstrategie. Die Wettkämpfe wurden konsequent auf Fernsehtauglichkeit getrimmt, die hierzulande so ungeheuer populären Skijäger unterwarfen sich komplett diesem Diktat. Das Rennen um die möglichst breite mediale Wahrnehmung gebiert bisweilen sportlich extrem fragwürdige Formate, siehe den als Parallelslalom ausgetragenen Teamwettbewerb bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft im österreichischen Schladming. Mehr noch: Gemessen an ihren eigentlichen Talenten, müsste eine Miriam Gössner nur noch als Speziallangläuferin in die Loipe gehen. Und ihre glücklose Kollegin Nadine Horchler wäre nach den Eindrücken der WM-Tage von Nove Mesto als Schützin an einem Schießstand sportlich besser aufgehoben als auf Skiern. Beide Disziplinen verheißen jenseits des Medaillenglanzes jedoch wenig pekuniären Lohn. Der Deutsche Ski-Verband (DSV) geht sogar einen anderen Weg, um seinen derzeit schwächelnden Goldesel Biathlon wieder aufzupäppeln. In der Not sollen Langläuferinnen umgeschult werden, der Zweck heiligt da allemal die Mittel. Kompakt, übersichtlich und im besten Fall medaillenträchtig: So lautet die winterliche Erfolgsformel, die massenhaft TV-Konsumenten und immer mehr finanzkräftige Sponsoren anlockt. Die olympischen Sommersportarten drohen in diesem Wettlauf hoffnungslos ins Hintertreffen zu geraten. Das drohende Aus für die Ringer, wie es das Internationale Olympische Komitee (IOC) in der vergangenen Woche überraschend beschlossen hat, ist nur ein weiteres Menetekel. Die Leichathleten, Kanuten oder Schützen haben es versäumt, ihre Disziplinen auf mehr Fernsehtauglichkeit zu trimmen. Sie stehen zunehmend im medialen Abseits - mit allen negativen Folgen für die Vermarktung. Es fehlt eine konzertierte Aktion der Sommersportarten. Die Appelle an die Öffentlich-Rechtlichen, ihrem Sendeauftrag auch in den Monaten April bis September nachzukommen, sind bislang stets verhallt. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Dachverband sieht dem Abstieg ehemals stolzer Kernsportarten mehr oder weniger tatenlos zu. Hält diese Entwicklung an, richtet sich der deutsche Sport wahrscheinlich auf Dauer in seiner goldenen Nische ein. Und in solchen Nischen kann es ja sehr behaglich und wohlig warm sein - sogar im mitteleuropäischen Winter.
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