Regensburg (ots) - Im Frühjahr 2007 war's, da hatte Uli Hoeneß genug gesehen - und die Nase voll. Der damalige Manager hielt eine gallige Schmährede am offenen Grab einer Bayern-Mannschaft, die seinen hohen Erwartungen nicht gerecht geworden war. "Nur verliehen" sei die Meisterschale, versprach er - in diesem Fall an den späteren Titelträger VfB Stuttgart. Und die Münchner würden fortan alles daran setzen, in der Tabelle von der Konkurrenz nur noch "mit dem Fernglas" wahrgenommen zu werden; einer von zahllosen Hoeneß-Sprüchen, die sich ins kollektive Gedächtnis des Fußball-Volkes eingebrannt haben. Nun, nach knapp sechs Jahren sowie den beiden Titelgewinnen 2008 und 2010, ist die Fernglas-Meisterschaft also perfekt. Dass der ewige Bundesliga-Primus damals wie heute erst reflexartig das Scheckbuch zücken musste, um sich seiner unangefochtenen Dominanz und wahren Bedeutung zu vergewissern, ist ein Teil dieser Geschichte. Rund 70 Millionen Euro wendeten die stolzen, aber gekränkten "Vize-Bayern" vor der laufenden Spielzeit auf, um ihren ohnehin schon exquisit besetzten Kader mit weiterer Qualität aufzupumpen und den internen Konkurrenzkampf nochmals anzuheizen. Das Resultat des Kraftakts ist beeindruckend. Diese Mannschaft zelebriert berauschenden Fußball - und sie kombiniert ihre spielerische Ausnahmestellung mit kühler Effizienz. All das ist ein Verdienst des Trainer-Altmeisters Jupp Heynckes, der alle heiklen Personalien geschickt zu moderieren verstand. Noch nicht recht einzuordnen im Bayern-Konstrukt ist freilich die Rolle des vor der Saison installierten Sportvorstands Matthias Sammer. In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Europameister von 1996 der Ober-Griesgram, dessen ewiges Lamento nervtötend wirkt. Enorm spannend wird sein, wie sich der ehemalige DFB-Sportdirektor im System Pep Guardiola positioniert. Sammer könnte unter dem spanischen Starcoach ein - allerdings fürstlich honoriertes - Nischendasein fristen. Vorerst jedoch eilen die Über-Bayern noch von Rekord zu Rekord. Eine weitere Bestmarke ist bereits zum Greifen nahe: die meisten Punkte in einer Bundesliga-Spielzeit. Borussia Dortmund wäre diesen Rekord nach gerade mal einem Jahr wieder los. Dies muss für die Liga ein Alarmzeichen sein. Die Bayern und der BVB sind dabei, dem Rest des Fußball-Oberhauses sportlich und vor allem wirtschaftlich zu enteilen. Spanische Verhältnisse sind nicht mehr weit. Dort gilt es Jahr für Jahr nur die ewig gleiche Frage zu beantworten, ob Real Madrid oder der FC Barcelona den Titelgewinn feiern darf. Die weiteren Klubs sind Staffage im Duell der beiden Großen. Ein Dualismus, der irgendwann gähnende Langeweile produziert. Den FC Bayern erwarten nun ein sechs Spieltage währendes Schaulaufen in der Liga sowie der Kampf um zwei Trophäen: den DFB-Pokal und - über allem thronend - die Champions League. Die Fallhöhe ist für die Münchner gewaltig. Ein Aus in Europas Königsklasse - womöglich gar im direkten Duell mit dem kecken Erzrivalen aus Dortmund - würde ihren einzigartigen nationalen Siegeszug gleichsam entwerten. Auch wenn es in München keiner so sagen würde: Die Meisterschaft war die Pflicht, aber jetzt erst folgt die Kür. Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger & Co. werden Ende Mai daran gemessen, ob sie die Scharte des verlorenen Finales "dahoam" gegen den FC Chelsea auswetzen konnten. Diese brillante Bayern-Mannschaft hat zweifelsohne das Potenzial, selbst Real oder Barça die Stirn zu bieten. Für den Präsidenten Uli Hoeneß wäre der Triumph in Wembley die Krönung seines Lebenswerks - auch ohne Fernglas.
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