Karlsruhe (ots) - Peer Steinbrück hat die Latte hoch gelegt. Sehr hoch sogar. Mit Angela Merkel will der frühere Finanzminister nicht noch einmal am Kabinettstisch sitzen, nicht einmal als Vizekanzler. Seine Strategie, voll auf Sieg zu spielen und nicht auf Platz, wirkt angesichts der anhaltend flauen Umfragen zwar ein wenig weltfremd. Mit etwas Glück und Geschick allerdings könnte Steinbrücks Kalkül schneller aufgehen, als es seiner Kontrahentin lieb ist. Ihr großer Vorsprung auf die SPD suggeriert eine Stärke, die die Union so in Wirklichkeit nicht hat. Auch die Kanzlerin weiß: Drei, vier Prozent weniger für die Regierungsparteien am Wahlabend und schon könnte es knapp für Rot-Grün reichen. In diesem Fall ginge der Parteitag in Augsburg womöglich in die Geschichte der Sozialdemokratie ein - als der Tag, an dem Steinbrück die Wende geschafft hat. Nach einer quälend peinlichen Anlaufphase hat er seinen Genossen gestern gezeigt, wie er die Kanzlerin stellen will. Angriffslustig, aber nicht verletzend. Temperamentvoll, aber nicht übermütig. Eins mit seiner Partei, aber nicht anbiedernd. Offenbar kann der Kandidat nicht nur Fettnäpfchen, sondern auch Wahlkampf. Wenn es am Abend des 22. September weder für Union und FDP noch für Sozialdemokraten und Grüne reicht, ist in Deutschland dagegen alles offen - so offen wie nie zuvor. Angela Merkel hat dann zwei Chancen, Kanzlerin zu bleiben: sie müsste die SPD für eine Große Koalition gewinnen oder die Grünen für eine schwarz-grüne Allianz. Beide Alternativen allerdings haben einen gewaltigen Haken: Die potenziellen Partner der Union werden sich darauf zunächst nicht einlassen, sondern alles versuchen, um Steinbrück zum Kanzler zu machen und die FDP für einen bunten Dreier zu gewinnen, die Ampel. Der SPD-Parteitag hat die Schnittmengen für ein solches Bündnis zwar eher verkleinert als vergrößert, weil sich ein höherer Spitzensteuersatz, eine Neuauflage der Vermögensteuer oder weitere Eingriffe ins Mietrecht mit dem Selbstbild der Liberalen ähnlich schlecht vertragen wie die Homo-Ehe mit der CSU. Gleichzeitig aber sind in der FDP auch Kräfte am Werk, die ihre Partei gerne etwas aus ihrer babylonischen Abhängigkeit von der Union befreien würden. Wolfgang Kubicki, der Poltergeist aus Kiel, ist einer von ihnen. Öffentlich redet Steinbrück über diese Option nicht. Im Falle eines Falles aber wird er den Freien Demokraten natürlich seine Angebote machen. Er will Kanzler werden - und Jürgen Trittin noch einmal Minister. Das alleine könnte schon genügen, um nach der Wahl das vermeintlich Unmögliche zu versuchen: Eine Koalition aus drei Parteien, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Ein solcher Pakt wäre zwar ein politischer Drahtseilakt und die Absturzgefahr für alle Beteiligten entsprechend hoch. Viele Sozialdemokraten und einige einflussreiche Grüne jedoch sind durchaus bereit, dieses Risiko einzugehen. Fünf Monate vor der Wahl steckt die SPD in einem gefährlichen Dilemma. Sie lehnt genau das Bündnis, das den Deutschen am liebsten ist, aus strategisch nachvollziehbaren, aber doch etwas zu kategorisch vorgetragenen Erwägungen ab. Ausgerechnet Peer Steinbrück, einer der populärsten Minister der Großen Koalition, will alles, nur keine Große Koalition mehr. Damit zwingt der Kandidat den Wählern eine Entscheidung auf, die diese so eigentlich gar nicht treffen wollen. Beide zusammen, Merkel und Steinbrück, werden sie nicht mehr bekommen. Diesmal kann es nur noch einen geben. Oder eine.
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Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
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