Von Britta Becks
Rückendeckung für die EU-Kommission: Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso haben die Brüsseler Entscheidung vom Freitag verteidigt, Frankreich und Spanien mehr Zeit zur Sanierung ihrer Haushalte einzuräumen. Nachdem EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn am Freitag angekündigt hatte, dass beide Länder beim Sparen zwei Jahre Aufschub bekommen sollen, war auch in den Reihen der Berliner Regierungskoalition Kritik laut geworden.
Der Aufschub sei "das falsche Signal", wetterte der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Stübgen (CDU), im Nachrichtenmagazin Focus. Er sehe nicht, dass Frankreich überhaupt Reformen einleite. "Da bedeutet eine Verlängerung der Frist nur ein Weiter So", sagte er. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt mahnte, es dürfe keinen "Sonder-Bonus für die gescheiterte Abwärtspolitik" des französischen Präsidenten Francois Hollande geben.
Der FDP-Finanzexperte Hermann-Otto Solms fordert im Focus mehr, nicht weniger Tempo: "Die Staaten sollen so schnell wie möglich ihre Reformen durchführen, die Haushalte sanieren und die Wettbewerbsbedingungen für die heimische Wirtschaft verbessern." FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte: "Wohin die falsche Politik Frankreichs führt, sieht man jetzt. Höhere Arbeitslosigkeit, höchste Steuern, niedrigste Investitionen, kein Wachstum."
Bisher sollte Frankreich eigentlich nur ein Jahr mehr Zeit erhalten, das Haushaltsdefizit auf die zulässige Grenze von drei Prozent zu senken. Weil die Regierung in Paris das Wachstum aber nicht abwürgen will, verzichtet sie auf zu drastische Sparmaßnahmen. Nun hat die EU-Kommission Frankreich und Spanien zugestanden, die Defizitgrenze von drei Prozent erst ab 2015 beziehungsweise 2016 einhalten zu müssen.
Von Schäuble kam dazu am Wochenende Zustimmung. "Der verschärfte Stabilitäts- und Wachstumspakt gibt das her, denn er erlaubt eine gewisse Flexibilität bei der Einhaltung der Regeln", sagte der Minister der Bild am Sonntag.
Gleichzeitig warnte der Finanzminister aber vor einem Nachlassen bei den Reformbemühungen: "Die Kommission hat aber auch gesagt, und das ist ganz wichtig, dass damit klare Vorgaben für die erforderlichen Reformen einhergehen werden." Die Kommission werde Ende Mai dazu konkrete Vorschläge machen, über die der Rat der Finanzminister beraten werde. Schäuble sagte, er sei sich mit der Kommission "vollkommen einig", dass Europa bei den Reformen nicht nachlassen dürfe.
Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso verteidigte sich gegen Vorwürfe, er stelle den Konsolidierungskurs der EU infrage. Hier wollten ihn "einige wohl bewusst missverstehen", sagte er der Welt am Sonntag. "Was ich ganz deutlich gesagt habe, ist Folgendes: Wachstum, das auf Schulden beruht, ist kein nachhaltiges Wachstum". Der europäische Stabilitätspakt sei aber "nicht blind", fügte Barroso hinzu. "Wir können ihn nicht dogmatisch umsetzen, sondern müssen Konjunkturauf- und abschwünge berücksichtigen."
Er forderte im Gegenzug von Frankreich und Spanien die Verpflichtung zu Reformen. Einen Aufschub werde es nur geben, "wenn wir die Gewissheit haben, dass die Regierungen sich weiter anstrengen bei der Reduzierung ihrer strukturellen Defizite", sagte er. "Und wir tun es nur unter der Bedingung, dass die Regierungen sich zu den nötigen Reformen verpflichten."
Gleichzeitig warnte Barroso, dass eine reine Sparpolitik "die Grenzen ihrer politischen und sozialen Akzeptanz erreicht" habe. Deswegen müssten alle Länder für mehr Akzeptanz bei ihren Bürgern werben.
Zudem verteidigte der EU-Kommissionspräsident Deutschland gegen die wachsende Kritik aus Südeuropa am strengen Sparkurs der EU. "Es ist nicht Frau Merkels oder Deutschlands Schuld, was in Frankreich oder Portugal passiert", sagte Barroso der Welt am Sonntag. Es sei unfair, "Maßnahmen als Zwang eines einzelnen Landes oder einer Institution darzustellen".
Der Portugiese nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel damit in Schutz gegen Vorwürfe, die in der vergangenen Woche auch aus Frankreich laut geworden waren. Deutschland diktiere die Sparpolitik und verfolge eine "egoistische" Europapolitik, hatte es unverblümt aus dem Lager der Sozialistischen Partei von Frankreichs Präsident Francois Hollande geheißen. Der sah sich im Interview mit dem Wall Street Journal gezwungen, die deutsch-französische Freundschaft zu bekräftigen, gleichzeitig aber auch mehr Entgegenkommen von Bundeskanzlerin Merkel zu fordern.
Barroso schlug sich nun auf die Seite der deutschen Kanzlerin. "Diese Krise mit ihren Problemen ist nicht ein Ergebnis deutscher Politik oder Fehler der EU", sagte Barroso. "Sie ist Ergebnis exzessiver Ausgabenpolitik, mangelnder Wettbewerbsfähigkeit und unverantwortlichen Handelns auf den Finanzmärkten."
Der Kommissionspräsident lobte zudem Deutschlands Führungsstärke: "Ich bin ausgesprochen dankbar für die Haltung, die Deutschland einnimmt", sagte er. Kanzlerin Angela Merkel sei "sicherlich eine der, wenn nicht die Führungspersönlichkeit auf europäischer Ebene, die am besten versteht, was gerade passiert." Sie investiere viel Zeit und Energie in das europäische Projekt. "Ich wünschte, das könnte man von allen Regierungschefs behaupten."
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May 04, 2013 12:51 ET (16:51 GMT)
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