Karlsruhe (ots) - Spionage ist ein globales Ereignis. Ein Gespenst, das im Dunkeln operiert und Rechtsnormen durchbricht. Spionage ist schmutzig. Ein immerwährender Spuk. Keine Macht der Welt wird jemals an diesem unmoralischen Spiel etwas ändern. Geheimdienst kann nur dort erfolgreich sein, wo er auch geheim bleibt. Das eigentliche Phänomen der Spähaffäre ist nicht die Debatte um das fragwürdige Handwerk der Spione. Auch nicht die Erkenntnis, dass eine seit 9/11 fiebernde Weltmacht internationale Spionage betreibt, zusammen mit den Briten und vielen anderen Ländern. Es ist die mutmaßliche Dimension einer Breitwand-Späh-Offensive, in der sich ein riesiger Daten-Staubsauger über Millionen von Quellen hermacht und gierig vertilgt. Es ist die Zäsur einer Zeit vor und nach Snowden: Programme wie Prism und XKeyscore bedeuten eine Abkehr vom Muster der "gezielten Spionage", weil sie die Kommunikation einer ganzen Internet-Gemeinschaft ins Visier nehmen. Datensammlung total - jeden muss dieses beunruhigen, auch wenn es um Präventivspionage geht, Natürlich wird die Kanzlerin im Dolomitenurlaub nicht ausspannen können. Zuwarten und Hilflosigkeit wirft ihr die Opposition vor - und erinnert sie an ihren Amtseid. Ihrem Innenminister wird nichts anderes als politisches Alibi-Reisen in die USA bescheinigt. Es gibt allerdings kaum etwas einfacheres, als einer Regierung in Spionage-Turbulenzen Ohnmacht vorzuwerfen. Jede andere politische Größe würde hier an Erklärungsgrenzen stoßen. Millionenfacher Rechtsbruch, historische Grundrechtsverletzung - das sind die starken Vokabeln einer Opposition, die natürlich ganz genau weiß, wie bedingt Rechtsnormen auf Spionage-Ebene anzuwenden sind, weil sich geheimdienstliche Aktivitäten wie eine glitschige Qualle allen Einordnungen entziehen. Auch im Kalten Krieg schufen Agenten-Umtriebe etliche Rechtsverletzungen an deutschen Bürgern - ohne dass sich ein Ankläger erhob, auch nicht in rot-gelben Zeiten. Wäre es nicht ein Wunder, wenn die gut vernetzten Politiker von SPD und Grünen von der Einbindung des BND in internationale Spionage-Verflechtungen kaum etwas wüssten? Schon 2001, in Zeiten der rot-grünen Bundesregierung, gab es US-Korrespondenzen über die massive Ausweitung eines geheimdienstlichen Sicherheitsprogramms. Empörung ist immer die erste Reaktion nach dem Sündenfall. Das schwierige Thema Spionage verdient sachliche Betrachtungen außerhalb des Wahlkampfs. Die USA - auch mit Obama - sind der Freund, dem Deutschland in konstruktiver Wachsamkeit begegnen muss. Weil jeder sein eigenes Interesse hegt - und Deutschland den Schutz seiner Bürger im Auge behalten muss. In der ganzen Abwägung zwischen Daten-Prävention und sinnvoller Terrorbekämpfung. Die Lehre aus dem, was Snowden in einer Ambivalenz aus Heldentum und Geheimnis-Preisgabe mitteilt, zielt ins Herz einer in Sicherheitsfragen betäubten Internet-Gesellschaft - Politik und Wirtschaft eingeschlossen: Es ist die geplatzte Blase der großen Freiheit im Netz. In einer Welt, in der Microsoft und Apple, Facebook, Twitter und Google ihre Anwender tagtäglich an die Hand nehmen, bei jedem Klick, Daten-Update, Tweed oder Suchvorgang begleiten, rüsten auch die Geheimdienste die digitale Lupe auf. Wo war in all den Jahren nur ein Teil der Sorge, die Datenrechtler in den 80ern gegen die Volkszählung aufbegehren ließ? Snowdens Enthüllungen stoßen Lernprozesse an. Vielleicht werden sie dem Web endgültig den Zauber der Vertrauensseligkeit rauben.
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Pressekontakt: Badische Neueste Nachrichten Klaus Gaßner Telefon: +49 (0721) 789-0 redaktion.leitung@bnn.de
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