Karlsruhe (ots) - Dankbarkeit ist keine politische Kategorie. Das erfährt gerade Polens Premier Donald Tusk. Der einstige Sunnyboy aus Danzig steckt in einer schweren Krise. Unzufriedene Bürger demonstrieren in Warschau, die Partei zerbröckelt, die Umfragewerte sind im Keller. Gelingt es seinen Gegnern am kommenden Sonntag, die liberale Warschauer Oberbürgermeisterin und Tusk-Mitstreiterin Hanna-Gronkewicz-Waltz per Referendum aus dem Amt zu kippen, droht Tusks liberaler Bürgerplattform eine weitere Spaltung. Dann könnte es bald vorgezogene Neuwahlen geben. Dabei schien es lange Zeit so, als mache Tusk alles richtig. In den sechs Jahren seiner Regierungszeit hat er sich viele Verdienste erworben. Bei seinem Amtsantritt 2007 war Polen durch den konfrontativen Kurs der Kaczynski-Brüder zum Enfant terrible in Europa geworden. Tusk schaffte es, die Beziehungen zu Deutschland und zu Russland wieder zu kitten. Die Folgen der Wirtschaftskrise 2008 überstand Polen erstaunlich gut. Nun haben sie plötzlich genug von ihm. Sie rebellieren gegen zu geringe Löhne, zu lange Lebensarbeitszeit und ein zu liberales Arbeitsrecht. Die Polen, seit Jahren ein kräftiges Wirtschaftswachstum gewohnt, sind enttäuscht, dass sich die Kurve nun abflacht. Dass eine Regierung, die selbst durch Prunksucht, teure Garderobe und Zigarren für unschöne Schlagzeilen sorgt, ihren Bürgern verordnet, bescheiden zu sein und den Gürtel enger zu schnallen. Die Polen wollen Dynamik und sie sind traditionelle Wechselwähler. Wachsende Unzufriedenheit in der Gesellschaft führt an der Weichsel schneller zu dem radikalen Wunsch, die gesamte Regierungsmannschaft austauschen. Deshalb hieße bei vorgezogenen Neuwahlen der Gewinner vermutlich Jaroslaw Kaczynski. Und das wäre weder gut für Polen noch für Europa.
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